Revolution in der ForschungSchweizer Forscher stellt Universum auf den Kopf
Ein Doktorand aus Basel rüttelt mit einer neuen Erkenntnis an den Grundfesten der Astronomie. Nun bricht ein riesiger Rummel über den 28-jährigen Metal- und «Star-Wars»-Fan ein.
Was, wenn unsere Milchstrasse anders funktioniert als Wissenschaftler dachten? Was, wenn es die dunkle Materie gar nicht gibt? Mit diesen Fragen macht der 28-jährige Basler Oliver Müller zurzeit die ganze Astronomie-Community nervös. Er und sein Team stützen ihre Fragen auf eine eigens entwickelte Theorie. Diese schaffte es nun sogar auf die Titelseite der aktuellen Ausgabe von «Science», dem wohl renommiertesten Wissenschaftsmagazin der Welt.
Bislang ging die Astronomie davon aus, dass kleinere Galaxien, die grosse Sternensysteme umgeben, zufällig verteilt sind und sich chaotisch bewegen. Zusammengehalten würden die Galaxien von unsichtbarer dunkler Materie, die zwar mathematisch beschrieben, aber nie nachgewiesen werden konnte. Müller stellt dieses kosmologische Standardmodell nun auf den Kopf.
Gibt es gar keine dunkle Materie?
Anhand von Untersuchungen von Sternbildern der Centaurus-A-Galaxie hat er mit seinem Team festgestellt, dass alles ganz anders ist. Die Satellitengalaxien bewegen sich nämlich in einem gemeinsamen Bewegungsmuster und rotieren um die Muttergalaxie. «Die kohärente Bewegung scheint ein universelles Phänomen zu sein, das nach neuen Erklärungen verlangt», kommentiert Müller.
Mit diesem Befund rüttelt er an den Grundfesten der Astrophysik und stellt sogar die Existenz von dunkler Materie und das heutige Verständnis von Gravitationskraft infrage. Stattdessen arbeitet Müller mit einem neuen Modell der Gravitationskraft – also jener Kraft, die wir als Erdanziehung wahrnehmen. Denn: Mit dunkler Materie und dunkler Energie kann das feste Bewegungsmuster der Satellitengalaxien, das Müller festgestellt hat, nicht erklärt werden.
Haben bestehende Modelle ausgedient?
«Es muss bezweifelt werden, dass es dunkle Materie und dunkle Energie überhaupt gibt. Sie steht für das Unwissen, das wir über einen Grossteil des Universums besitzen», erklärt Müller. Gerade einmal fünf Prozent des Weltalls würden sich dem Menschen erschliessen. Die restlichen 95 Prozent lägen buchstäblich im Dunkeln – und diese würden mit dunkler Materie und dunkler Energie erklärt. «Ein anderes Modell von Gravitationskraft kann möglicherweise vieles erklären», so Müller.
Experten nehmen Müllers Erkentnisse mit Interesse auf. Zumal «die bestehenden Theorien und Modelle schon länger Schwierigkeiten haben, die Entstehung und die Bewegungen von Zwerggalaxien zu erklären», sagt Thomas Schildknecht, Vizedirektor des Astronomischen Instituts der Uni Bern. Müllers Resultate würden das bestehende Weltbild der Astronomie fürs Erste nicht über den Haufen werfen, glaubt der Astronome. «Aber die Erkentnisse sind spannend und wichtig. Sie könnten noch einiges auslösen.»
Der Letzte seiner Art
Der 28-Jährige macht zurzeit seinen Doktor an der Uni Basel. Und der begeisterte Astronom zündet mit dem Erfolg seiner Theorie ein regelrechtes Abschlussfeuerwerk: Das Astronomische Institut gibt es seit zehn Jahren nicht mehr. Die Uni hat die Türen des Instituts aus Spargründen geschlossen, wie die «Tageswoche» berichtete. Müller doktoriert deshalb unter dem Dach der Physiker und ist der letzte Astronom, der an der Uni den Doktortitel erhalten wird.
Hinter dem schlagartig berühmten Wissenschaftler Müller steckt aber ein gewöhnlicher junger Mann, der ein Flair für Metal-Musik und Fantasy-Spiele hat. Und natürlich ist der Sternenforscher auch «Star-Wars»-Fan, wie er gegenüber 20 Minuten bestätigt. In wenigen Monaten wird Müller sein Doktorat abschliessen. «In Europa weiter zu forschen wäre schön», meint er. Denn in Basel selbst kann er nicht bleiben. Wegen seiner Freundin, einer Mathematikerin, und seiner Verbundenheit mit Basel möchte der Münchensteiner aber nicht zu weit weg ziehen.
Wegen einer Anstellung muss sich Müller wohl keine zu grossen Sorgen machen. Seit dem Erscheinen des «Science»-Artikels rollt eine Welle von Medienanfragen über ihn. «Das bin ich mich nicht gewohnt. Seit zwei Wochen klingelt bei mir nur noch das Telefon. Aber ich geniesse es auch.»
Für die Uni Basel ein «grosser Erfolg»
Die Uni Basel ist natürlich stolz. Dass es ihr Eigengewächs ins «Science»-Journal geschafft hat, sei ein «ein grosser, erstaunlicher und sehr erfreulicher Erfolg», sagt Dominik Zumbühl, Leiter des Departements Physik. Und was sagt er zur Tatsache, dass dieser Erfolg ausgerechnet in einem Forschungsgebiet erzielt wurde, das demnächst ganz aus der Uni Basel verschwinden wird? «Spitzenleistungen können auch ausserhalb der Forschungsschwerpunkte erfolgen, was aber noch nicht heisst, dass jeder Erfolg zu einem Schwerpunkt wird», betont Zumbühl.
Ein Doktorand aus Basel rüttelt mit einer neuen Erkenntnis an den Grundfesten der Astronomie. Nun bricht ein riesiger Rummel über den 28-jährigen Metal- und Star-Wars-Fan ein.
Oliver Müller und ein Kollege stellen ihre revolutionäre Theorie von Galaxien vor. (Video: Oliver Müller)