Eurythmie und MorgengebetPrimarschule wird Fall für kantonale Schulbehörde
Unterricht wie in der Steinerschule, schlechte Leistungen, Kündigungen und Aufruhr bei den Eltern. Die Primarschule Zwingen ist ein Fall für das Amt für Volksschulen geworden.
Morgengebete und Eurythmie an einer öffentlichen Schule? Wegen anthroposophischer Unterrichtsmethoden, die vom Schulleiter augenscheinlich über Jahre gebilligt wurden, ist vergangene Woche ein Konflikt an der Primarschule Zwingen eskaliert. Zwei Klassenlehrerinnen haben auf Ende Schuljahr gekündigt. Im Dorf tauchten am 1. Mai Flugblätter auf, auf denen der Schulleiter von einer fünften Klasse des Mobbings bezichtigt wurde.
Die Flugblätter mussten wegen des justiziablen Mobbing-Vorwurfs entfernt werden. Am Freitag wurden die Vorgänge durch Medienberichte öffentlich. Noch am selben Abend wurde an der Primarschule Zwingen ein Krisensitzung einberufen. Der kritisierte Schulleiter Erich Rubitschung lässt sich nun bis Pfingsten vertreten. Der Schulrat ist darum bemüht, dass wieder Ruhe einkehrt. «Das oberste Ziel ist, für die Schüler einen guten Übertritt zu gewährleisten», erklärt Schulrat Harald Schmidlin.
Schlechte Noten mit umstrittenen Methoden
Dass in Zwingen Schüler über Jahre nach anthroposophischen Methoden von Rudolf Steiner unterrichtet wurden, kam ans Licht, nachdem eine 5. Klasse in einem Vergleichstest in den Fächern Deutsch und Mathematik massiv ungenügend abgeschnitten hatte. Klassenlehrerin Marianne Lander hinterfragte die Ergebnisse, da sickerte nach und nach durch, dass ihre Vorgängerinnen einen Grossteil der Schüler mit Steiner-Pädagogik unterrichtet hatte. «Ein Schüler fragte mich, wieso wir kein Morgengebet mehr machen und keinen Epochenunterricht haben», erzählt Lander.
Dass Lander dies dem Lehrerverein Baselland meldete, wurde ihr von Schulleiter Rubitschung als unkollegiales Verhalten ausgelegt. Zuvor sei sie bei ihm aber auf taube Ohren gestossen, als sie das Problem ansprach. Rubitschung verteidigte die anthroposophischen Methoden als lehrplankonform. «Einwände von Eltern und uns Lehrpersonen wurden schlicht ignoriert», heisst es in einem Elternbrief, den Lander und ihre Kollegin kürzlich verschickten, um die Gründe ihrer Kündigung darzulegen.
Aufsichtsbeschwerde beim Kanton hängig
Die Unzulässigkeit der kritisierten anthroposophischen Unterrichtsformen und -Inhalte steht ausser Frage: «An einer staatlichen Schule die Buchstaben des eigenen Namens zu tanzen und das Morgengebet zu sprechen, ist nicht mehr religionsneutral», kommt der Rechtsdienst der Lehrergewerkschaft LVB zum Schluss. Gegenüber der «Basler Zeitung» sagte Isabella Oser, die Rechtsberaterin des LVB, dass Rubitschung «eine rote Linie überschritten hat».
Mit dem Fall muss sich mittlerweile auch das Baselbieter Amt für Volksschulen befassen. Dort ist nämlich eine Aufsichtsbeschwerde hängig. Der Schulrat der Primarschule Zwingen erwartet noch bis zu den Sommerferien einen schriftlichen Bescheid von Amt.
Anthroposophischer Unterricht geht weiter
Derweil geht die Beschulung nach Steiner in den Zwingner Klassenzimmern unbeirrt weiter. Die beiden Lehrerinnen wollen ihren Unterricht von einer sachverständigen Person des Kantons überprüfen lassen. Schulrat Harald Schmidlin verteidigt deren Unterrichtspraxis: «Im Sinne der Vielfalt sollen in einem gewissen Rahmen weiterhin verschiedene Methoden eingesetzt werden dürfen.»
Ob der Morgenspruch in der Einführungslektion weiterhin verwendet werde, werde der Schulrat mit der betreffenden Lehrerin besprechen. «Hierbei gilt es auch die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen», teilt Schmidlin auf Anfrage mit.