Deutsch-Pflicht auf Schulhof stösst auf Kritik

Aktualisiert

Schule in EgerkingenDeutsch-Pflicht auf Schulhof stösst auf Kritik

Der Egerkinger Gemeinderat greift zu harten Mitteln: Wer auf den Schulhöfen nicht deutsch spricht, muss mit einer Strafe rechnen. Dies stösst auf Widerstand.

von
Nora Camenisch
In der Primarschule in Egerkingen möchte man bewirken, dass die Schüler in Zukunft auf dem Pausenhof nur noch deutsch sprechen.
Grund für die neue Regelung ist die hohe Anzahl an Schülern mit Migrationshintergrund. In manchen Klassen liegt dieser Anteil bei 70 Prozent.
Mit dem Deutschgebot auf dem Pausenhof soll laut Gemeindepräsidentin Johanna Bartholdi verhindert werden, dass Schweizer Kinder ausgegrenzt werden.
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In der Primarschule in Egerkingen möchte man bewirken, dass die Schüler in Zukunft auf dem Pausenhof nur noch deutsch sprechen.

20 Minuten/aha

Im solothurnischen Egerkingen muss auf dem Schulhof Deutsch gesprochen werden – so sieht es eine neue Regel in der Schulordnung vor.

10 Lektionen für 550 Franken

Wer sich nicht daran hält, wird bestraft, wie die «Solothurner Zeitung» schreibt. Beim ersten Vergehen wird ein mündlicher Verweis ausgesprochen. Beim zweiten Vergehen droht ein schriftlicher Verweis und beim dritten Verstoss wirds für die Eltern teuer: Der Deutschkurs für zehn Lektionen kostet 550 Franken. Als Grundlage für die Regelung nennt der Gemeinderat von Egerkingen einen Artikel im Volksschulgesetz.

Bei der Gemeinde ist man sich bewusst, dass die Regelung grenzwertig ist. «Wir sind hier vielleicht etwas in einem Graubereich», sagt Gemeindepräsidentin Johanna Bartholdi. Es sei vor allem darum gegangen, Klartext zu sprechen. «Es kann nicht sein, dass Schweizer Kinder ausgegrenzt werden.» Bartholdi sagt, die Bestimmung sei mit einem gewissen Augenmass zu

regeln.

«Ausgrenzung lässt sich durch Verbot nicht beheben»

Der Grund für die Massnahmen ist gemäss «Solothurner Zeitung» die hohe Anzahl von Schülern mit Migrationshintergrund. In gewissen Klassen liegt dieser Anteil bei 70 Prozent. Tele M1 berichtet von Schweizer Kindern, die von ihren ausländischen Klassenkameraden gemobbt werden sollen. Die Rede ist von Schuhen, die ins WC geworfen werden, und gar

Todesdrohungen. Eltern wollen ihre Kinder deshalb aus der Klasse oder gar aus dem Schulhaus nehmen.

«Es entspricht nicht den Tatsachen, dass unsere Schule ein Ausländerproblem hat», sagt Schulleiter Hanspeter Stöckli gegenüber 20 Minuten. «Wir haben wie an jeder Schule anständige und weniger anständige Kinder. Die meisten Probleme haben wir aber nicht mit Kindern mit Migrationshintergrund.» Stöckli sagt, die Initiative für die Regelung sei von Schweizer Eltern ausgegangen. Diese hätten es unter anderem als ungerecht empfunden, dass fremdsprachige Kinder gratis Deutsch-Zusatzunterricht erhalten.

Gegen die Regelung ist Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogik Lehrerdachverband Schweiz. «In der Pause kann jeder machen, was er will. Jugendliche haben immer gerne Geheimsprachen

benutzt. Gibt es ein ernsthaftes Problem von Ausgrenzung, lässt sich dies auch durch das Verbot nicht beheben.» Hier brauche es ein ganzes Set an Interventionen. Hinzu komme, dass in Egerkingen ein Erwachsenenproblem auf den Schultern der Kinder ausgetragen werde. Das Thema Gleichbehandlung von Ausländern und Schweizern werde kurz vor der Abstimmung zur SVP-Durchsetzungsinitiative hochgeschaukelt. «Schweizer

Eltern denken, dass ihre Kinder im Vergleich mit ausländischen benachteiligt werden. Dabei zeigen Statistiken, dass beispielsweise Schweizer Kinder in Logopädiekursen massiv übervertreten sind.»

Eltern sind geteilter Meinung

Auch bei den Eltern stossen die neuen Bestimmungen auf wenig Verständnis. So sagt etwa eine Mutter, deren Tochter die 1. Klasse des Kleinfeld-Schulhauses besucht: «Ich finde es eine Frechheit, die Eltern dafür zahlen zu lassen.» Sie sei Schweiz-türkische Doppelbürgerin und müsse ihrer Tochter nun verbieten, eine ihrer Muttersprachen auf dem Schulhof zu sprechen.

Auch Jenny Broggi, selbst Mutter eines kleinen Sohnes, versteht nicht, dass die Eltern für den Sprachkurs aufkommen sollen. Aber: «Ich finde es sinnvoll, dass die Kinder untereinander Deutsch sprechen müssen, das ist wichtig für die Zukunft», so Broggi. Die Kinder aber gleich zu verwarnen, wenn sie einmal gegen das Deutsch-Gebot verstossen, finde sie übertrieben. «Es sind ja schliesslich Kinder. »

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