Polizisten kritisieren eigenen Kommandanten

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Reitschul-KrawallePolizisten kritisieren eigenen Kommandanten

Nach den Krawallen bei der Berner Reitschule erheben die Beamten schwere Vorwürfe. Es seien zu wenig Polizisten im Einsatz gewesen, heisst es.

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Die Berner Reithalle ist wieder einmal wegen Krawallen in den Schlagzeilen. Bei einem Einsatz am Samstag vor einer Woche wurden elf Polizisten verletzt. Randalierer hatten eine Strassensperre errichtet – sie bewarfen die anrückenden Polizisten mit Steinen und Feuerwerkskörpern.

Vertrauliche Gespräche mit beteiligten Polizisten zeigen jetzt: Die Beamten, die am Einsatz beteiligt waren, üben Kritik an der Einsatzstrategie und an Kommandant Stefan Blättler. Man habe zu wenig Leute aufgeboten, heisst es. Man hätte wissen müssen, dass es zu Ausschreitungen kommen würde. Das sei bei Einsätzen rund um die Reithalle bereits öfter passiert, sagte ein Polizist der «SonntagsZeitung». Diese Fehlplanung habe letztlich auch zu den vielen Verletzten geführt.

Kommandant verteidigt Einsatzstrategie

Kommandant Blätter verteidigte dagegen die Einsatzstrategie. Die Ereignisse hätten sich «so nicht angekündigt», sagt er. Die Angreifer würden merken, wenn die Polizei ein grösseres Aufgebot vorbereite. Dann bleibe es verhältnismässig ruhig, und die Polizei müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, überreagiert zu haben. Auch dass die Polizei nicht in die Reitschule eingedrungen ist, verteidigt Blättler. In diesem Fall hätte es wohl «massive Ausschreitungen und weitere Verletzte bei den Polizisten und den Besuchern» gegeben, so Blättler.

Die elf verletzten Polizisten können laut Polizei-Sprecher Christoph Gnägi mittlerweile alle wieder arbeiten. Einige Polizisten erlitten Gehörverletzungen – ob sie bleibende Schäden davontragen, ist laut Gnägi noch offen.

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Verschiedene Kulturveranstalter setzen sich für Reitschule ein

In einem offenen Brief an die Stadt Bern forderte der Dachverband Schweizer Musikclubs (PETZI) sowie weitere Kulturhäuser wie etwa die rote Fabrik in Zürich oder der Sedel Luzern die Verantwortlichen auf, die Sistierung der finanziellen Mittel für die Reitschule per sofort aufzuheben.

Die aktuelle Debatte über die Berner Reitschule zeichne ein verzerrtes Bild dieses Kulturzentrums, heisst es in dem am Samstag veröffentlichten Brief. Es falle kein Wort zu den Konzerten und Shows, die Woche für Woche im Dachstock oder im Rössli über die Bühne gingen.

Bern würde wieder brennen

Seit ihrer Besetzung 1987 habe sich die Reitschule einen Ruf als kultureller Hotspot in der Deutschschweiz und als gesellschaftlicher Freiraum aufgebaut. Ihre Strahlkraft beeinflusse die Schweizer Kulturszene. Die Art und Weise der aktuellen Berichterstattung gefährde diesen wichtigen Stadtberner Kulturbetrieb.

Eine Schliessung der Reitschule würde den schon tiefen Graben um ein Vielfaches vergrössern. Die Sistierung der Mittel würde die Reitschule zu einem besetzten Haus und den Vorplatz zur Sperrzone für Ordnungshüter machen: Bern würde wieder brennen. «Wer will das?» (sda)

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