Jungfilmer bashen Thun – aus Liebe zur Stadt

Aktualisiert

«Stadt der Falten»Jungfilmer bashen Thun – aus Liebe zur Stadt

Zwei Ex-Thuner teilen in ihrem Kurzfilm kräftig Kritik an ihrer Stadt aus: Thun liege im Sterben – und die Bevölkerung sei selber schuld.

von
cho

«Thun leidet an einem Minderwertigkeitskomplex»: Mit dieser provokativen Aussage beginnt der Kurzfilm «Stadt der Falten». Dies ist längst nicht der einzige Angriff auf das «Tor zum Oberland» – im 8-minütigen Film-Essay von Remo Rickenbacher (30) und David Oesch (24) kriegen alle ihr Fett weg: Die Stadt liege im Sterben, die Jungen seien zu faul und die ältere Bevölkerung würde das Leben blockieren. «Es ist ein Rundumschlag mit viel Kritik», sagt Spoken-Word-Poet Rickenbacher.

Die beiden wollten neuen Schwung in eine alte Diskussion bringen: «Spätestens seitdem das Nachtleben zum Erliegen kam, ist Thun nur noch als ‹Stadt der Alten› bekannt», sagt Rickenbacher. Deshalb wollten die beiden mit dem Film einen generationsübergreifenden Denkanstoss bieten. «In Thun sind es die Alten, welche der Stadt Leben einhauchen», heisst es etwa im Off-Text, gesprochen von Rickenbacher. Die Jugend würde lieber auf Facebook nörgeln, statt selber anzupacken, die Politik verschlafe die richtigen Massnahmen. Wer wegziehe, werde selber zum Problem. «Wir üben damit auch etwas Selbstkritik aus», so Rickenbacher.

Grosses Staraufgebot

Doch seine harten Worte werden immer wieder von liebevollen Porträtaufnahmen von Thuner Lokalgrössen abgefedert. Ingesamt 42 Persönlichkeiten werden im Film gezeigt. Neben schweizweiten Bekanntheiten wie Ursula Haller oder FC Thun-Legende Milaim Rama sind auch Thuner Stadtoriginale zu sehen. So etwa die Lokalberühmtheiten Roger Jenny, der immer Frauenkleider trägt, Café-Mokka-Chef Pädu Anliker oder Fan-Kevin, der sich mit Leib und Seele dem FC Thun verschrieben hat: «Einigen von ihnen musste ich regelrecht mit der Kamera auflauern», sagt Film-Student Oesch.

Fünf Monate und mindestens 800 Arbeitsstundenhaben die zwei Ex-Thuner für den Streifen gebraucht. Auf Sponsorengelder hätten sie bewusst verzichtet, um möglichst frei zu sein: «Wir wollten uns nicht das Maul verbieten lassen», sagt Oesch. Freunde hätten die Musik und Luftaufnahmen beigesteuert.

Eine versteckte Liebeserklärung

Am Sonntag feierte der Film in Thun Premiere. Dort habe es positive, aber auch negative Rückmeldungen gegeben, so Oesch: «Es entstand sofort eine lebhafte Diskussion. Wir haben unser Ziel somit erreicht.» Er hoffe, dass die Leute verstehen, dass es ein kritisches Porträt einer tollen Stadt sei, die halt Probleme habe – so wie jede andere auch. Oesch:«Es ist eine Liebeserklärung, aber eine versteckte.»

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