Berner ZankapfelDer Reitschule bläst ein scharfer Wind entgegen
Der Berner Statthalter zieht die Schraube bei der Berner Reitschule an. Die härtete Gangart kommt bei den alternativen Kulturtreibenden erwartungsgemäss schlecht an. Applaus gibt es von der SVP.

Das Nachtleben auf dem Vorplatz der Reitschule gibt immer wieder zu Klagen Anlass, insbesondere Lärmklagen.
Der Berner Regierungsstatthalter Christoph Lerch hat den Gastronomiebetrieben im alternativen Kulturzentrum Reitschule strikte Auflagen gemacht. Besonders auf dem Vorplatz will Lerch weniger Lärm. Das sorgt für heftige Kritik. Allen voran natürlich bei der Reitschule. Dort reagiert man man «mit Bestürzung und Verärgerung», wie aus einer Mitteilung vom Freitag hervorgeht.
Auf dem Vorplatz treffen sich an den Wochenenden jeweils hunderte zumeist junger Nachtschwärmer. Dass dies so ist, geht aus Sicht der Reitschul-Verantwortlichen auf die offene Drogen- und Dealerszene zurück, die vor einigen Jahren den Vorplatz dominierte. Mit Konzerten, Barbetrieb und anderen Aktivitäten habe die Reitschule den Platz «erfolgreich zurückerobert», heisst es in der Mitteilung. Der Vorplatz der Reitschule sei für viele Jugendliche mittlerweile fast die einzige Möglichkeit, sich ohne Konsumzwang zu treffen.
Härtere Gangart
Das Nachtleben auf dem Vorplatz gab aber auch immer wieder zu Klagen Anlass, insbesondere Lärmklagen. Regierungsstatthalter Christoph Lerch hat nun eine härtere Gangart eingelegt. So darf die Vorplatzbar zum Beispiel keine Hintergrundmusik mehr abspielen, und der Getränkeverkauf über die Gasse ist nach 00.30 Uhr untersagt, wie aus einer Mitteilung vom Freitag hervorgeht.
Auf dem Vorplatz des Kulturzentrums sollen nur noch ein Wochenendkonzert pro Monat und ein Grossanlass pro Jahr stattfinden dürfen. Um diesen Auflagen Nachdruck zu verleihen, will Lerch die Vorplatzbar während des Monats Juni schliessen.
Unverhältnismässige Einschränkungen
Die Auflagen bedeuteten für den Vorplatz ein «Quasi-Veranstaltungsverbot», kritisieren die Reitschul-Verantwortlichen. Der Statthalter verkenne und ignoriere gesamtgesellschaftliche Realitäten. Offen bleibe, wohin denn die jeweils bis zu 1000 Ausgänger auf dem Vorplatz künftig gehen sollten. «Vielleicht hat es ja vor dem Regierungsstatthalteramt in Ostermundigen noch ein wenig Platz?», heisst es in der Mitteilung weiter.
Auch die JUSO Stadt Bern findet die vom Statthalter verfügten Einschränkungen unverhältnismässig, wie die Partei mitteilt. Die Politik stehe in «krassem Kontrast zu den Wünschen, Bedürfnissen und Rechten junger Menschen der Stadt Bern».
Die Grüne Partei Bern-Demokratische Alternative zeigte sich ebenfalls sehr beunruhigt und bezeichnete die Massnahme als «Strafaktion gegen die Reitschule». Auch die Junge Alternative JA! kritisierte die Auflagen scharf. Der Dachverband Berner Kulturveranstalter bekult befürchtet, dass durch die Massnahmen «massive soziale, gesellschafts- und kulturpolitische Schäden» entstehen. Die verschärften Bestimmungen für die Reitschul-Gastrobetriebe seien auszusetzen, fordert der Verband.
Positiv auf die härtere Gangart reagierte die SVP der Stadt Bern in einer Mitteilung. Es sei zu begrüssen, dass der Statthalter dem «wilden Treiben» in und vor der Reitschule den Riegel schiebe.
Geduldsfaden strapaziert
Das alternative Kulturzentrum entzweit die Berner Gemüter schon lange. Während bürgerliche Kreise immer wieder gegen die Reitschule Sturm liefen, stellte sich die Bevölkerung in Abstimmungen stets klar hinter die Institution.
Allerdings strapazierte die Reitschule auch den Geduldsfaden der Stadt. Letzten Herbst verpasste der Stadtrat der Reitschule einen Denkzettel. Er sprach zwar Subventionen für das Kulturzentrum, aber nur für ein Jahr statt für vier Jahre. Die Reitschul-Betreiber unterschrieben den Vertrag nicht. Seither laufen Verhandlungen. (sda)