«Ich stelle mich den Tatsachen»

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Spitaldirektor in Biel«Ich stelle mich den Tatsachen»

144 Personen kündigten seit Anfang Jahr: Nach dem Exodus am Bieler Spitalzentrum erklärt sich der neue Spitaldirektor Kristian Schneider, der eben sein Amt aufgenommen hat.

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144 haben 2017 am Spitalzentrum Biel ihre Stelle gekündigt oder sind in Frühpension gegangen. Dies bei rund 1400 Angestellten (996 Vollzeit-Stellen).
Spitaldirektor Kristian Schneider (46): «Von einem Exodus kann keine Rede sein, denn die Fluktuationsrate des Spitalzentrums Biel entspricht in etwa dem Durchschnitt aller Spitäler der Schweiz. Wir haben ein systemisches Problem im Gesundheitswesen.»
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144 haben 2017 am Spitalzentrum Biel ihre Stelle gekündigt oder sind in Frühpension gegangen. Dies bei rund 1400 Angestellten (996 Vollzeit-Stellen).

Sie sind erst seit Anfang November Vorsitzender der Geschäftsleitung des Spitalzentrums Biel. Haben Sie den Personal-Exodus mitverfolgt?

Kristian Schneider: Ja, ich stehe vor gewissen Tatsachen und muss diese anerkennen. Allerdings kann von einem Exodus keine Rede sein, denn die Fluktuationsrate des SZB entspricht in etwa dem Durchschnitt aller Spitäler der Schweiz. Wir haben ein systemisches Problem im Gesundheitswesen.

Angestellte aus Pflege und Spitzenmedizin klagen gleichermassen über den ständig steigenden Druck.

Das ist so, in manchen Abteilungen können die Spitzen nicht abgedeckt werden. Ich spreche da nicht nur von unserem Spital in Biel, sondern von allen Institutionen in dieser Branche. Und ein Spital ist ein 24-Stunden-Betrieb, was die Angestellten sehr beansprucht. Ein weiterer Grund, wieso viele Angestellte wechseln, ist, dass hocherfahrenes Personal gerne an vielen verschiedenen Arbeitsorten Erfahrungen sammelt. Wir haben auch viel Konkurrenz, und man kann nicht immer besten Arbeitsbedingungen bieten – zum Beispiel in Lohnfragen. Das kann dazu führen, dass Mitarbeiter den Arbeitsort wechseln.

Und viele wollen auch einfach nicht mehr in der Pflege arbeiten, weil der Job zu hart ist.

Ja, auch das ist ein systemisches Problem in der gesamten Branche. Viele machen lange Ausbildungen und wollen nicht mehr im Beruf bleiben, weil sie einfach nach einer gewissen Zeit genug davon haben. Daran muss auch das Spitalzentrum Biel noch arbeiten, denn wir möchten, dass die Pflegenden zum Beispiel nicht mehr so viele administrative Arbeiten erledigen müssen und wieder das machen können, was sie gelernt haben.

Der Grund für Abgänge im grösseren Stil sind aber oft auch Führungswechsel. Sind Ihre Angestellten unzufrieden wegen der schlechten Spital-Leitung?

Seit ich da bin, nicht mehr (lacht). Nein, im Ernst, es gab in der Vergangenheit Schwierigkeiten, aber diese hat der Verwaltungsrat ja erkannt; deshalb hat es ganz gezielte Veränderungen im oberen Kader gegeben. Am Spitalzentrum Biel wird nichts auf die Seite geschoben. Wir wollen die Angestellten mitreissen mit unserer Vision. Unsere Entscheide begründen sich immer in dem, dass wir eine optimale Leistung erbringen wollen und unseren Patienten die bestmögliche Qualität bieten in der Region Biel, Seeland und Jura. Aber ja, in der Unternehmenskultur haben wir noch Arbeit vor uns. Wir wollen nicht, dass uns Angestellte verlassen, weil sie mit der internen Unternehmenspolitik nicht zufrieden sind.

Allerdings besteht bei grosser Fluktuation auch die Gefahr, dass die Arbeit an jene übertragen wird, die übrigbleiben. Dies beklagen auch einige Betroffene gegenüber 20 Minuten.

Auf Kaderebene wurden die Stellen immer sofort wieder besetzt, damit keine Leistungen in Gefahr sind. Wir haben bei Bedarf auch Hilfe von extern, zum Beispiel aus dem Inselspital. Auch Bewerbungen bekommen wir derzeit genügend. In der Pflege arbeiten wir ergänzend auch mit temporären Angestellten. Wir verteilen die Arbeit nicht auf wenige Köpfe.

Euer Spital geniesst aber bei den Patienten der Region nicht einen besonders guten Ruf, wenn man die Kommentarspalten bei 20 Minuten durchforstet.

Jemand, der negative Erfahrungen gemacht hat, tut diese viel eher kund. Wenn alles rund läuft, wird dies nicht an die grosse Glocke gehängt, denn davon geht man ja aus in einem Spital. Wir beteiligen uns aber an den schweizweiten Qualitätsmessungen und stehen gar nicht so schlecht da: Wir sind gutes Mittelfeld oder sogar besser. Mich erreichen gar nicht so übermässig viele Reklamationen. Unsere Qualitätszahlen findet man auf unserer Website, und sie sind für alle transparent.

Was versprechen Sie, wie läufts in Biel unter Ihrer Führung?

Ich habe an einer Veranstaltung im Oktober den Mitarbeitenden versprochen, dass sie sich auf mein Vertrauen in sie verlassen können. Das ist auch so. Mir ist es ein Anliegen, ihre Kompetenzen nicht nur zu nutzen, sondern auch zu fördern, und damit letztendlich auch zu erreichen, dass unsere Qualität weiterhin steigt. Somit kann ich auch zuversichtlich auf ein gutes Finanzergebnis sein.

Haben Sie am Spitalzentrum Biel gearbeitet und gekündigt? Erzählen Sie uns Ihre Story. Ihre Anonymität wird gewahrt.

Hintergrund

Von Anfang 2017 bis Ende August haben 144 Mitarbeitende ihren Arbeitsvertrag im Spitalzentrum Biel gekündigt. Das teilt der Berner Regierungsrat am Montag mit. Das Spital hat insgesamt 996 Vollzeit-Stellen und total 1400 Angestellte.

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