Urteil gegen IV-Betrüger20 Jahre Gefängnis für «Eliminationsmord»
Das Urteil ist gefallen: Der Angeklagte D.* wurde am Donnerstag wegen Mordes an der Arztgehilfin R.*zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Richter spricht von einem «Eliminationsmord».
D.* war angeklagt, im Oktober 2013 in Thunstetten BE die Arztgehilfin R.* mit einem Messer angegriffen und kaltblütig getötet zu haben. Seit Montag stand er vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau, am Donnerstag fiel das Urteil in einem vollbesetzten Gerichtssaal in Burgdorf. Richter Jürg Bähler verurteilte den 56-jährigen Serben wegen Mord, Betrug und Urkundenfälschung zu 20 Jahren Gefängnis.
Trotz erdrückender Beweislage hatte der Angeklagte vorab die Tat abgestritten und sich geweigert, Fragen zu beantworten. D. zeigte im Gerichtssaal ein wirres und apathisches Verhalten. Doch der Richter nahm dem nun Verurteilten dieses Benehmen nicht ab – Familienmitglieder hätten ihn als fröhlich und klar beschrieben. «Bei Ihnen zu Hause ist niemandem aufgefallen, dass Ihr Gedächtnis so schlecht ist.» Auch bei den psychiatrischen Abklärungen soll D. simuliert haben: «Laut Tests sind Sie schwer dement – Ihrer Familie wäre das aufgefallen», so Richter Jürg Bähler bei der Urteilsverkündung. «Ich gehe davon aus, dass Sie hier Theater gemacht haben, um sich zu schützen.»
Geknickte Haltung
Der Angeklagte nahm das Urteil stillschweigend zur Kenntnis. Im Rollstuhl sitzend, mit Fussfesseln um die Knöchel, in einem grauen Sakko und blauen Jeans, sass der Mann in geknickter Haltung vor dem Richter. Als Bähler während der Urteilsverkündung detailliert die vier tödlichen Messerstiche ausführte und von Zeugenaussagen über «markerschütternde Schreie» sprach, flossen im Gerichtssaal Tränen. Angehörige hielten sich in den Armen.
Zehn Jahre lang hatte D. eine IV‐Rente wegen einer Gehbehinderung nach einem leichten Arbeitsunfall bezogen. Die 38‐jährige Arztgehilfin R. hatte den Mann aber zufällig dabei beobachtet, wie er einkaufen ging und Taschen trug. Sie meldete dies ihrem Chef, dem Hausarzt von D. Im anschliessend eingeleiteten IV-Verfahren hätte die Arztgehilfin als Zeugin aussagen sollen.
«Damit können wir zufrieden sein»
Weil der Verurteilte die Zeugin vorab kaltblütig in ihrer Wohnung niederstach, sprach der Richter am Donnerstag von einem «Eliminationsmord». D. hätte ungeschoren aus dem Verfahren wegen IV-Betrugs kommen wollen und habe dafür getötet. «Sie konnten den Mord nur begehen, weil Sie die Leiden, die Sie Ihren Ärzten vormachten, eben nicht hatten», sprach Richter Bähler D. ins Gewissen. Weil beim Verurteilten akute Fluchtgefahr bestehe, wurde seine Sicherheitshaft auf sechs Monate verlängert. Ob D. ausgeschafft wird oder sein Bleiberecht behält, konnte Bähler nicht sagen: «Gemäss der Gesetzeslage hat dieses Gericht nicht darüber zu entscheiden.»
Die Anklage hatte am Montag in ihrem Plädoyer 20 Jahre Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert, das Gericht folgte der Forderung von Staatsanwältin Géraldine Kipfer: «Er kommt nun für lange Zeit ins Gefängnis, damit können wir alle zufrieden sein», so Kipfer nach der Urteilsverkündung. Pflichtverteidiger Gian Genna hatte auf einen Freispruch plädiert und gar Genugtuung verlangt. Ob er Berufung gegen das Urteil einlegen wird, könne er noch nicht sagen: «Wir behalten uns alle Optionen offen.»
*Namen der Redaktion bekannt