«Den Finderlohn würde ich nicht ausplaudern»

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Stradivari-Finder«Den Finderlohn würde ich nicht ausplaudern»

Pascal Tretola hat die millionenschwere Geige im Zug gefunden und dem Besitzer zurückgegeben. Mit einem SMS hat sich dieser bedankt. Ob er auch noch Finderlohn zahlt, bleibt ein Geheimnis.

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dwi/fum
Die Geigen des Italieners Antonio Stradivari sind die teuersten der Welt.

Die Geigen des Italieners Antonio Stradivari sind die teuersten der Welt.

Stradivari-Geigen - kostbare Einzelstücke von unschätzbarem ideellem Wert: Die Besitzer bleiben meistens verborgen, die Instrumente sind bewacht und behütet. Nicht so letzten Freitag in der Berner S-Bahn: Hier liess ein Mann das teure Instrument einfach liegen. Den Verlust bemerkte er zu spät - der Zug war weitergefahren und das Zugpersonal konnte die Geige nicht finden. Glücklicherweise war sie in ehrliche Hände geraten: Am Sonntag gab Pascal Tretola die Stradivari in Bern ab.

«Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich das Instrument auf der Gepäckablage bemerkte», erzählt der 24-Jährige. Zuhause hätte er den Koffer geöffnet und einen Ausweis des berühmten Thuner Geigers Alexandre Dubach. «Ich versuchte, ihn zu kontaktieren», so Tretola. Doch er habe Dubach nicht erreicht. «Wäre es eine billige Schülergeige gewesen, hätte ich vielleicht selbst noch darauf herumgequietscht», meint der Finder scherzhaft. Doch er habe geahnt, dass es sich um ein teures Stück handelt.

Bis zu 6 Millionen Franken wert

Gleich nach dem Erhalt der Stradivari habe sich Dubach dann bei ihm gemeldet, erzählt Tretola. «Er hat mir ein SMS geschrieben und sich herzlich bedankt.» Den Finderlohn habe er noch mit dem Besitzer aushandeln wollen. Doch der 24-Jährige würde die Höhe der Entlohnung sowieso nicht verraten. «Das wird ein Geheimnis bleiben.»

Rund zehn Prozent beträgt der hierzulande als angemessen empfundene Finderlohn. Dies würde den Finder auf einen Schlag um ein kleines Vermögen reicher machen - denn die Stradivari ist mehrere Millionen Franken wert. «Das Spektrum ist gross, das Instrument hat wohl einen Wert von 1,5 bis 6 Millionen Franken», sagt der Berner Geigenbaumeister Daniel Kunzmann.

Kunzmann schätzt, dass es in der Schweiz rund 20 Stradivari-Geigen gibt. Oft sind die Instrumente im Besitz von Banken, Stiftungen oder reichen Privaten. «Eine Stradivari ist eine Anlage», sagt Kunzmann. Trotz des Wertes der Geige könnte der Finder leer ausgehen. Er hat rechtlich gesehen keinen Anspruch auf eine Entlohnung. «Grundsätzlich gibt es zwar einen Anspruch, jedoch handelt es sich hier um einen Anstaltsfund», erklärt der Rechtsanwalt Martin Steiger.

Ein Fundgegenstand muss aufbewahrt werden

Auf einen, gemäss Gesetzbuch «angemessenen Finderlohn» kann nur pochen, wer den Gegenstand nicht in einem öffentlichen Gebäude oder Verkehrsmittel findet. «Der Finder ist im Fall des Stradivari-Funds die SBB. Und diese hat keinen Anspruch auf einen Finderlohn», so Steiger. Ausserdem bedeute ein millionenteurer Verlust nicht automatisch ein hoher Finderlohn. Im Gegenteil: «Je wertvoller der Fundgegenstand ist, desto geringer ist der angemessene Finderlohn», sagt der Jurist. «Im Fall der Stradivari wäre ein Zehntel sowieso unangemessen.»

Das Auszahlen eines Finderlohns bleibt Ehrensache, das Erfüllen der Finderpflicht jedoch ist gesetzlich. «Ein Fund muss publik gemacht und der Gegenstand aufbewahrt werden», so Steiger. Erst wenn sich fünf Jahre niemand nach dem Gegenstand erkundigt hat, wandelt sich dieser zum Besitz des Finders. Oder wird verkauft: Roland Widmer, Geschäftsführer von fundsachenverkauf.ch, schätzt, dass schweizweit durchschnittlich jeden Tag ein Instrument liegen gelassen wird. Pro Jahr sei etwa eine Geige dabei. «Eine Stradivari hatten wir jedoch noch nie.»

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