Im Bunker der Schweizer Geheimarmee

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Sagenumwobener WiderstandIm Bunker der Schweizer Geheimarmee

Im Berner Oberland entsteht ein Museum im Versteck der ehemaligen Schweizer Widerstandsorganisation P-26. Bereits heute kann man sich durch die Geschichte führen lassen.

Christian Zingg
sda
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Christian Zingg
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Eine unscheinbare Holzscheune hoch über dem Thunersee. Besitzer Daniel Miescher zieht die Schiebetür zurück, entriegelt ein Gittertor und eine Panzertür. Dann führt er uns über eine senkrechte Eisenleiter in den Bunker der sagenumwobenen Widerstandsorganisation P-26.

«Alpengarten» lautet der Tarnname der unterirdischen Anlage bei Spiez, die im Zweiten Weltkrieg als Artillerie-Fort gebaut wurde. Ein Stollensystem verbindet die drei Geschützbunker und das Einstiegsgebäude.

Die überirdischen Anlageteile sind allesamt als Scheunen getarnt. Ein aufmerksamer Beobachter wundert sich vielleicht über die Lüftungssäule, die aus dem Boden ragt. Doch auch sie war bis in die 1990er-Jahre hinter einem angeblichen Bienenhaus versteckt.

Denn im Untergrund bereiteten sich Mitglieder der hochgeheimen P-26 auf den Ernstfall vor: Die Besetzung der Schweiz durch eine feindliche Macht. Die P-26 sollte den Widerstand im Untergrund anführen - mit List und auch mit Waffengewalt.

Der heutige Besitzer will die Anlage möglichst wieder in den Originalzustand bringen. Sein Museum soll die Weltkriegszeit und auch die P-26 erlebbar machen. Führungen bietet er schon heute an.

Geheimfahrt in den «Alpengarten»

Die Adresse findet sich ohne Mühe im Internet; das war seinerzeit natürlich anders. «Am Anfang fuhr ich jeweils nach Thun, dort wurde ich in einen VW-Bus mit verdunkelten Scheiben verfrachtet», erinnert sich Widerstandsmitglied «Wilfried» im neuen P-26-Buch von Martin Matter.

«Wilfried» war in zivil Lehrer in der Ostschweiz und einer von knapp 400 Schweizern, die für die P-26 angeworben wurden. Im «Alpengarten» und später in Gstaad liessen sie sich ins Geheimprojekt einführen und erwarben Fachkenntnisse zum Beispiel in psychologischer Kampfführung, Sabotage oder Kurzwellenfunk.

Begrüssung per Video

Oft wusste nicht einmal der Ehepartner etwas vom Doppelleben. Kam ein Kursaufgebot, musste sich der P-26er für Familie und Job eine «PG» einfallen lassen - eine Plausibelgeschichte. Dann reiste er an den vereinbarten Ort, etwa an den Bahnhof Thun.

Die Fahrt hinter verdunkelten Scheiben endete in einer eigens gebauten Garage hinter einem der Geschützbunker. «Von dort aus ging es in die Tiefe», berichtete Wilfried.

Im «Alpengarten» bezog der Kursteilnehmer ein Einzelzimmer. Per Videobotschaft begrüsste ihn der Generalstabschef und versicherte ihm, die P-26 sei offizieller Bestandteil der Gesamtverteidigung. Auch die einzelnen Lektionen und Aufgaben erhielt der Kursabsolvent ab Video.

Lichtsignal und Container

Denn jeder P-26er sollte möglichst wenig andere kennen - so hätte er im Fall einer Gefangennahme nichts ausplaudern können. Musste der Kursteilnehmer sein Zimmer verlassen, musste der Gang also leer sein. Dafür wurde eine Lichtsignalanlage eingerichtet, wie uns Bunkerbesitzer Miescher demonstriert.

Zu seiner umfangreichen Materialsammlung gehört auch ein 80 cm langer Stahlcontainer. Im Ernstfall hätte jeder P-26er einen solchen wasser-, gas- und luftdichten Behälter bekommen. Er sollte eine persönliche Pistole enthalten und allenfalls andere Waffen, Munition und Medikamente, aber auch Goldplättchen - ein ideales Zahlungs- und Bestechungsmittel in Besatzungszeiten.

Im Schiesskanal

Wieviele P-26er im «Alpengarten» ausgebildet wurden, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass sie auch den Umgang mit Waffen übten; davon zeugt der 25-Meter-Schiesskanal, der in einem der Gänge nachträglich eingerichtet wurde. Die Armee baute die Schiessanlage zwar zurück, verwischte aber nicht alle Spuren.

Die P-26 wurde 1990 im Gefolge der Fichenaffäre enttarnt und aufgelöst. Politisch umstritten ist sie bis heute. Eine verlässliche historische Bewertung dürfte erst nach 2020 möglich sein; bis dahin sind die Akten unter Verschluss.

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