Juso zeigt SVP-ler wegen «Zigeuner»-Aussage an

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Lyss BEJuso zeigt SVP-ler wegen «Zigeuner»-Aussage an

Der Lysser SVP-Gemeinderat Jürg Michel unterstellte an einer Sitzung Fahrenden, schlecht zu riechen. Die Juso reicht nun Strafanzeige wegen Diskriminierung ein.

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Der Lysser Gemeinderat Jürg Michel erzürnt mit seiner Aussage über Fahrende die Juso.

Der Lysser Gemeinderat Jürg Michel erzürnt mit seiner Aussage über Fahrende die Juso.

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«Wenn man die Zigeuner nicht vom Sehen her kennt, dann spätestens mit der Nase»: Mit dieser Aussage an der Sitzung des Grossen Gemeinderats Lyss am 27. Juni löste der Lysser Gemeinderat Jürg Michel einen Sturm der Entrüstung aus – nun zeigt die Juso JS Bielingue den SVP-Politiker gar an. Am Dienstag wurde bei der Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland eine Strafanzeige wegen öffentlicher rassistischer Diskriminierung erstattet, wie die Jungpartei mitteilt.

Michel habe mit seiner Aussage die Minderheit der Fahrenden diskriminiert, indem er sie einerseits Zigeuner nannte und andererseits implizierte, sie würden schlecht riechen, führt Juso Vinzenz Binggeli aus. «Zigeuner ist ein alter und abwertender Begriff, der sich auf die Fahrenden bezieht.» Binggeli ist selber Mitglied des Grossen Gemeinderats Lyss und war deshalb anwesend, als Michel die Aussage machte.

Auch andere Organisationen wollen Michel anzeigen

«Wir haben den Vorfall mit der Gesellschaft für bedrohte Völker und der Selbstorganisation für die Jenischen diskutiert und uns für eine Strafanzeige entschieden», sagt Binggeli zum weiteren Vorgehen der Juso. Auch die anderen beiden Organisationen würden eine Strafanzeige gegen Michel einreichen. Damit aber nicht genug: «Wir fordern, dass sich Jürg Michel öffentlich bei den Fahrenden entschuldigt.»

Der angezeigte Gemeinderat bereut seine Aussage nicht, wie er gegenüber 20 Minuten sagt. «Sie war im Nachhinein betrachtet aber ungünstig formuliert.» Er finde es «himmeltraurig», dass ihm deswegen Diskriminierung vorgeworfen wird. «Das zeigt, dass man mich nicht kennt», so Michel. Er habe nichts gegen die Fahrenden, diese sollten sich aber an die Gesetze und Regeln halten – das schliesse auch das Abfallreglement ein. Die Fahrenden würden ihre Abfallsäcke überall auf dem Gelände verstreut liegen lassen, worauf seine Aussage mit der Nase anspiele: «Sie war nicht diskriminierend.»

«Warten darauf, dass Staatsanwaltschaft aktiv wird»

Rechtsanwalt und Rassismusexperte Daniel Kettiger glaubt nicht, dass die Juso mit ihrer Anzeige Erfolg haben wird: «Der Begriff ‹Zigeuner› ist ein Sammelbegriff und ein Synonym für Fahrende, deshalb hat Jürg Michel wohl nicht eine Ethnie, Rasse oder Religion diskriminiert.» Hätte er stattdessen Sinti oder Roma gesagt, würde die Sachlage anders liegen.

«Wenn ein Behördenmitglied in amtlicher Funktion eine solche Aussage macht, ist aber ein disziplinarisches Verfahren durch die Aufsichtsbehörde möglich», so Kettiger weiter. Zudem habe Michel mit der Aussage wohl gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot auf Verfassungsebene verstossen.

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