Experiment der Uni Bern«Ratten sind schlauer und sozialer, als man denkt»
Forscher der Uni Bern belegen, dass auch Tiere Gutes mit Gutem vergelten. Dabei kann sich sogar die Art der Gefälligkeiten unterscheiden.
Die Ratten helfen sich gegenseitig, an begehrtes Futter zu gelangen. (Video: Uni Bern)
Ratten haben einen schlechten Ruf. Als Vorratsschädlinge und Überträger diverser ansteckender Krankheiten sind sie gefürchtet. Längst haben sich solche Ängste auch auf unseren Sprachgebrauch ausgewirkt: Einen widerwärtigen oder hinterhältigen Menschen bezeichnen wir gern als miese oder linke Ratte.
Nun aber zeigen Forscher der Universität Bern: Es ist höchste Zeit für eine Ehrenrettung der kleinen Nager. In einem Experiment mit insgesamt 37 Wanderratten-Pärchen haben Michael Taborsky und Manon Schweinfurth vom Institut für Ökologie und Evolution herausgefunden, dass sich die Tiere gegenseitig unter die Arme greifen: Nach der Devise «Wie du mir, so ich dir» tauschen sie unterschiedliche Dienstleistungen aus. Dieses Verhalten war bisher exklusiv dem Menschen zugesprochen worden – irrtümlicherweise. «Ratten sind viel schlauer und sozialer, als man denkt», weiss Schweinfurth.
Gutes mit Gutem vergelten
Bei der Versuchsanordnung mussten die Ratten entscheiden, ob sie ihrem Sozialpartner helfen wollen, entweder an leckeres Futter zu gelangen oder unliebsames Salzwasser vom Nacken zu entfernen. Aus ihrem grosszügigen Einsatz konnten die Helfer selbst keinen direkten Vorteil ziehen. «Die entscheidende Frage war, ob die Tiere dabei ähnlich vorgehen wie wir Menschen: Unterstützen sie einander nur, wenn die Wahrscheinlichkeit gross ist, eine Gegenleistung zu erhalten?», so Schweinfurth.
Schauen Sie den Nagern bei der gegenseitigen Fellpflege zu.
Gegenseitige Gefälligkeiten sind unter Menschen Gang und Gäbe. In einem Experiment belegen nun Forscher der Uni Bern, dass auch Tiere Gutes mit Gutem vergelten.
Ja, und dabei greifen sie auf ihre Erinnerungen zurück. Denn die Hilfsbereitschaft der Ratten richtete sich stark nach der Erfahrung, die sie zuvor mit demselben Partner gemacht hatten. Hatte der sie mit Futter versorgt, revanchierten sie sich bereitwillig mit Fellpflege. Wurde ihnen vorher geholfen, das unliebsame Salzwasser aus dem Fell zu bekommen, bezahlten sie gerne mit einem Leckerbissen. «Ratten können sich sehr wohl merken, ob sich ein Partner kooperativ gezeigt hat oder nicht», sagt Schweinfurth. Mindestens acht Tage lang, so habe ein weiteres Experiment gezeigt, könnten sie die sozialen Infos über ihre Artgenossen bei sich abspeichern.
Sonderstellung des Menschen bröckelt
Wie die Autoren im Fachblatt «Current Biology» erklären, wurde damit «erstmals experimentell belegt, dass auch andere Tiere als wir Menschen verstehen, Gutes mit Gutem zu vergelten und Trittbrettfahrer zu bestrafen – selbst wenn sich die Leistungen dabei in ihrem Wert unterscheiden». Ein grosses Gehirn und fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten brauchts dafür offenbar nicht. Für Schweinfurth ist deshalb klar: «Mit unserer Sonderstellung scheint es nicht weit her zu sein.»