Schweizer sind scharf auf Wegwerfmode

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Billig-Kette PrimarkSchweizer sind scharf auf Wegwerfmode

Vier Studenten wollen die Kleiderkette Primark in die Schweiz holen. Ihre Facebook-Seite hat 11'500 Fans. Die Marke wird wegen Dumpingpreisen scharf kritisiert.

T. Bircher
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T. Bircher

Ein T-Shirt für drei Franken, eine Jeans für 13 Franken – mit solchen Angeboten ist der ultrabillige irische Textildiscounter Primark auf Expansionskurs. Bereits 257 Filialen gibt es in den Fussgängerzonen der europäischen Grossstädte, allein in Deutschland sind es zehn. Acht weitere sind in Planung. Primark ist «ein Paradies für Teenager: hip wie H&M und billig wie KiK», wie es in einer Doku des ZDF heisst.

Nun soll die Kleiderkette auch in die Schweiz kommen. Dies zumindest fordern 11'647 Anhänger der Facebook-Seite «Primark Schweiz», gegründet von vier Studenten der Wirtschafts- und Kaderschule Bern. Sie haben eine interdisziplinäre Projektarbeit über die irische Ladenkette verfasst, mit dem Ziel, diese in die Schweiz zu holen, wie Storyfilter schreibt.

«Resonanz war überwältigend»

«Die Idee ist entstanden, weil wir Fans von Primark sind und oft im Ausland dort einkaufen gehen», sagt Soner Aydin, einer der vier Studenten. Im Rahmen einer Projektarbeit für ihr Studium fiel ihnen dann auf, dass es in der Schweiz keinen Primark gibt. «Wir dachten, es wäre cool, eine Filiale hierherzuholen.» Nachdem sie die Facebook-Seite gegründet hatten, war schnell klar, dass viele gleicher Meinung sind.

«Wir nahmen Kontakt mit der Primark-Filiale in Innsbruck auf und sie sagten uns, sie würden uns unterstützen.» Ein erstes Treffen scheiterte jedoch. Nun haben Aydin und ein Kollege die Idee wiederaufgenommen. «Die Resonanz auf Facebook war überwältigtend und zeigt, dass wir weitermachen müssen.» Und tatsächlich: Die Kommentare auf der Seite sprechen eine deutliche Sprache. Die Fans fragen begeistert, wie es mit dem Projekt vorangeht und wann es verwirklicht wird. Sie betteln die Gründer an, dafür zu sorgen, dass die erste Filiale in ihrer Stadt eröffnet wird.

Mund-zu-Mund-Propaganda

Der Boom der Billigkleider ist beeindruckend: Geht irgendwo ein neues Primark-Geschäft auf, campen schon Stunden vor Eröffnung Tausende Teenager vor verschlossenen Türen, um von den tiefen Preisen profitieren zu können. Kleider anzuprobieren oder sie später zu waschen, ist meist kein Thema: kaufen, tragen, wegwerfen – so funktioniert das Primark-Prinzip.

Unter dem Namen «Primark-Haul» zeigen die Schnäppchenjägerinnen nach ihrem Kaufrausch in selbst gedrehten Videos auf Youtube stolz ihre neusten Errungenschaften und ernten dafür schon mal 50'000 Klicks. «Primark macht keine Werbung, alles läuft über diese Art von Mund-zu-Mund-Proganda», sagt Aydin. Damit spare das Unternehmen viel Geld.

Youtube-Userin SunnyEase, eine zwanzigjährige Hamburgerin, ist am 1. Oktober 170 Kilometer weit nach Bremen in den Primark gefahren. Dort hat sie unter anderem einen blauen Schlauchschal für 4 Euro, einen beigefarbenen Pulli mit Nieten für 16 Euro, ein schwarzes Top mit bespitztem Ausschnitt für 8 Euro, Ohrringe für 2 Euro sowie Abschminktücher für ebenfalls 2 Euro gekauft.

«Wir sind gegen Ausbeutung»

Doch was wenig kostet, kann auch nicht teuer produziert worden sein. Wie viele andere Textilunternehmen lässt Primark den grössten Teil seines Sortiments in Bangladesh herstellen. «Bei unseren Recherchen sind wir auf viele kritische Stimmen gestossen», so Aydin. Vor allem die Arbeitsbedingungen, unter denen die Näherinnen für Primark produzierten, würden scharf verurteilt. «Auch wir sind gegen Ausbeutung.»

Man müsse aber auch bedenken, dass die Kleiderherstellung der grösste wirtschaftliche Sektor in Bangladesh sei. «Diese Leute sind auf unsere Kauflust angewiesen, nur sollten sie natürlich auch angemessen entlöhnt werden.»

Primark wollte gegenüber 20 Minuten keine Stellungnahme abgegeben.

Die Konsumenten und die Hersteller leiden

Jeroen van Rooijen*, braucht es Primark in der Schweiz?

Nein, gemessen an unserem Lebensstandard brauchen wir bestimmt nicht noch so einen Billigladen. So schlecht geht es uns nun wirklich nicht. Ausserdem bringt Primark auch modisch nichts Neues: Die Kleider sind gepflegter Mainstream, werden schnell und billig hergestellt mit dem einzigen Ziel, so kommerziell wie möglich zu sein. Ein Designanspruch ist nicht vorhanden.

Wieso ist das Konzept dennoch so erfolgreich?

Weil die Leute immer noch weniger Geld für Kleider ausgeben wollen, noch mehr sparen, noch billiger einkaufen. Doch sie denken das Problem nicht zu Ende. Es gibt drei Dinge, die den Grundpreis für Kleider ausmachen: Die Verarbeitungsqualität, die Materialqualität und die Lohnkosten. Schraubt man diese soweit runter, wie es Primark tut, leidet einerseits der Konsument unter der schlechten Kleiderqualität und andererseits der Hersteller unter den schlechten Arbeitsbedingungen.

Für wen wird die Mode von Primark denn produziert?

Für Teenager im Alter von 12 bis 18 Jahren. Viele von ihnen haben wenig Geld, wollen aber trotzdem modisch angezogen sein, genau darauf zielt Primark ab. Dazu kommt, dass die Jungen heutzutage meinen, die Preise von beispielsweise H&M und Zara seien normal. Deshalb finden sie Primark so toll, weil es eben noch günstiger ist.

*Jeoren van Rooijen ist Modeexperte und ehemaliger Stilberater der Zeitung «NZZz».

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