Krankenkassen-VorlageEinheitskasse mit 61 Prozent abgeschmettert
Das Stimmvolk hat die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» klar verworfen. Für Gesundheitsminister Alain Berset muss nun die Qualität verbessert werden.
Im Schweizer Gesundheitssystem gibt es keinen Systemwechsel. Volk und Stände haben die Initiative «für eine öffentliche Krankenkasse» deutlich abgelehnt.
Die grössten Chancen hatte die Initiative erwartungsgemäss in der Westschweiz. Die Kantone Genf und Waadt nahmen sie an, mit 57,4 beziehungsweise 56,3 Prozent Ja-Stimmen. Ein knappes Nein resultierte im Kanton Freiburg mit 50,3 Prozent Nein-Stimmen. In den Kantonen Basel-Stadt (55 Prozent) und Tessin (55,6 Prozent) genoss die Initiative ebenfalls Sympathien.
Am deutlichsten verworfen wurde sie im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit 81,7 Prozent Nein-Stimmen. Auch in Nidwalden, Obwalden, Schwyz, und Zug lag der Nein-Stimmen-Anteil bei über 75 Prozent.
«Weiter auf dem Weg der Reformen»
Gesundheitsminister Alain Berset sieht im Abstimmungsresultat zur Krankenkassen-Initiative eine klare Unterstützung der bundesrätlichen Gesundheitspolitik. Das Stimmvolk habe zum Ausdruck gebracht, dass es das Gesundheitssystem reformieren, nicht aber radikal ändern wolle, sagte Berset vor den Medien in Bern. Es gelte, den Weg der Reformen weiter zu verfolgen.
Ob er nach dem Ja in vier Westschweizer Kantonen Einheitskassen in einzelnen Kantonen befürworten würde, liess Berset offen.
Die Diskussion über die öffentliche Krankenkasse sei nötig gewesen. Nun gelte es, die Reformen voranzutreiben, sagte Berset mit Verweis auf die Gesundheitsstrategie 2020. Die Debatte zur Einheitskasse habe gezeigt, dass alle eine bessere Koordination im Gesundheitswesen wünschten. Ausserdem müssten Grundversicherung und Zusatzversicherungen strikter getrennt werden.
Deutlicher deutlich als 2007
Das Volksbegehren schnitt am Abstimmungssonntag so ab, wie in der letzten SRG-Umfrage prognostiziert. Dass Gesundheitsminister Alain Berset kurz vor der Abstimmung den Prämienanstieg für das kommende Jahr bekannt gab, scheint der Initiative also keinen Auftrieb verliehen zu haben.
Die Initiative «für eine öffentliche Krankenkasse» schnitt aber besser ab als die Initiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse», die das Volk 2007 mit 71,2 Prozent abgelehnt hatte. Diese und frühere Einheitskasseninitiativen gingen allerdings weiter als die aktuelle Vorlage. Sie sahen neben einer Einheitskasse einkommens- und vermögensabhängige Prämien oder eine Finanzierung mit Steuern und Lohnabzügen vor.
Wettbewerb in der Grundversicherung
Diesmal hatten die Stimmberechtigten nur darüber zu befinden, ob für die Grundversicherung eine öffentlich-rechtliche Krankenkasse mit kantonalen Agenturen eingerichtet werden soll. Beim einem Ja hätte es in jedem Kanton einheitliche Prämien gegeben, die sich nach den Kosten im jeweiligen Kanton gerichtet hätten.
Die 61 privaten Kassen hätten nur noch Zusatzversicherungen anbieten dürfen. Mit dem Nein von Volk und Ständen bleibt es nun beim Wettbewerb zwischen den Kassen, auch in der obligatorischen Grundversicherung. Wie hoch die Prämien sind, hängt weiterhin nicht nur vom Wohnort, sondern auch vom Geschäftsmodell und dem Versichertenbestand der Kassen ab.
Teuer und schädlich
Einen Systemwechsel wünschten sich SP, Grüne, die EVP und die CSP sowie einige Berufsverbände, Patientenstellen und Konsumentenorganisationen. Der Wettbewerb unter den Kassen sei schädlich und teuer, argumentierten sie. Er führe dazu, dass sich die Krankenkassen gegenseitig junge und gesunde Versicherte abjagten, während sie alte und kranke abwimmelten. Kassenwechsel und Werbung verursachten hohe Kosten.
Gegen die Initiative kämpften die bürgerlichen Parteien sowie die Krankenkassen und die Wirtschaftsverbände. Sie warnten ihrerseits vor steigenden Kosten und sinkender Qualität. Im Ausland hätten öffentliche Krankenkassen grosse Schuldenberge angehäuft und zu einer schlechten medizinischen Versorgung geführt.
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