SVP-InitiativeDie extremsten Gemeinden der Schweiz
In Unteriberg SZ stimmten 87,4 Prozent der Urnengänger mit Ja. Ganz anders in den Stadtzürcher Kreisen 4 und 5: Dort stimmten vier Fünftel dagegen.

In St. Martin GR gab es 100 Prozent Zustimmung zur Zuwanderungsinitiative.
In Unteriberg SZ geht man zur Urne, wenn gerufen wird. Die Leute versammeln sich im Landgasthof Rösslipost am Stammtisch, man mag den Portugiesen, der dort in der Küche arbeitet – aber man stimmt für die SVP. Und zwar fast ausnahmslos: 87,4 Prozent der anwesenden Stimmberechtigten legten ein Ja zur Zuwanderungsinitiative in die Urne. Einer der höchsten Werte der Deutschschweiz.
Gemeindepräsident Edwin Marty-Spindor (parteilos) kennt seine Pappenheimer. Er selbst hat eine kanadische Frau und dennoch sagt auch er, die Zuwanderung müsse gestoppt werden. Unteriberg, das Gallien des Kantons Schwyz: unbeugsam gegenüber der Aussenwelt.
«Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen stolz bin auf meine Gemeinde», sagt Präsident Marty-Spindor. «Wir ziehen offenbar alle am selben Strick.» Das habe nicht nur die Abstimmung zur Masseneinwanderung gezeigt. Auch bei den kommunalen Abstimmungen – etwa der Zonenplanänderung KTN 648 (Schwingplatz) – war man sich in Unteriberg einig.
«Man hat auch hier Angst»
Marty-Spindor tut sich schwer damit, eine abschliessende Erklärung für die Stimmung im Dorf zu finden. Vielleicht sei es einfach Tradition. «Wir sind früher schon mal zur konservativsten Gemeinde der Schweiz ernannt worden», sagt er, wobei in seiner Stimme Stolz mitschwingt. Von Gruppendruck will er aber nichts wissen. «Klar wird am Stammtisch darüber diskutiert, aber da bildet sich jeder selbst seine Meinung.»
Die ist gefestigt – auch wenn der Ausländeranteil in der Gemeinde tief ist. 152 Ausländer sind es, Marty-Spindor kennt den prozentualen Anteil nicht auswendig. Auch in Unteriberg sei nicht alles heile Welt. «Man liest die Zeitung, informiert sich, weiss von den Folgen der Zuwanderung. Und davor hat man auch hier Angst.»
St. Martin mit vermeintlicher 100-Prozent-Quote
Ein Dorf machte Schlagzeilen: Es ist St. Martin in Graubünden; 31 Stimmberechtigte gibt es in der Gemeinde. Man kennt sich nicht nur, man ist miteinander verwandt und verschwägert.
Eine Einwohnerin behauptet am Telefon steif und fest, etwas anderes in die Urne geworfen zu haben als ihre Schwester – die Statistik zeigte aber etwas anderes: Satte 100 Prozent sagten Ja zur SVP-Initiative, gab die Bündner Staatskanzlei bekannt. Abgegebene Stimmen: acht. Doch heute korrigierte die Behörde das Ergebnis: Fünf legten ein Nein in die Urne, die Ja-Quote liegt demnach nur bei 62 statt 100 Prozent.
Der «Chreis Cheib» gegen den Rest der Schweiz
Das Gegenteil von St. Martin und Unteriberg findet sich in Zürich. Nur 21,2 Prozent der Urnengänger in den Kreisen 4 und 5 der Stadt Zürich nahmen die Initiative der SVP an. Die Langstrasse verläuft durch die beiden Kreise. Das Viertel: ein Biotop aus unterschiedlichsten Lebensformen, Ansichten und Nationalitäten mit 31 Prozent Ausländeranteil.
Die SVP hat hier traditionell einen schweren Stand. Das gibt der Präsident der SVP Kreis 4, Stefan Urech, ohne Scham zu. «Wir haben fast damit gerechnet, dass es in diese Richtung geht. Das haben wir bei unseren Standaktionen in den letzten Wochen gespürt.» Man sei zwar betrübt, aber demotivieren lasse man sich nicht.
Aber was unterscheidet den Unteriberger aus dem ländlichen Schwyz und den Bewohner des Kreis 4 so sehr? Urech versucht zu erklären: «Wir haben in den beiden Kreisen in der letzten Zeit immer mehr Zuzüger, die politisch links stehen. Studenten, Kulturschaffende oder reiche, linke Erben, die sich die teuren Wohnungen leisten können.»
«Ausländerfreundliches Klima»
Der Präsident der SP Kreis 4, Patrick Hadi Huber, widerspricht: «Ein Zuzug der ‹Linken› in den Kreis ist allein schon aufgrund der Veränderungen der Wähleranteile der letzten 10 Jahre nicht nachweisbar.» An der grundlegend ablehnenden Haltung der breiten Bevölkerungsmehrheit gegen Initiativen der SVP habe sich im Kreis nichts geändert.
Huber ist überzeugt davon, dass das deutliche Ergebnis im Kreis 4 vor allem aus einem Grund zustande kam: «Der grosse Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund im Kreis 4 schafft ein ausländerfreundliches Klima, weil man sich hier kennt und die Nationalität keine Rolle mehr spielt.»
«Multikulti keine Erklärung»
Dass in beiden Zürcher Kreisen viele Ausländer verkehren, dass die Langstrasse multikulti ist, dass deshalb eher das Nein auf dem Stimmzettel angekreuzt wurde, greift für Urech als Erklärung zu kurz: Die Initiative habe sich ja nicht gegen Ausländer gerichtet, die schon hier seien.
Sogar die an der Langstrasse wohnenden Ausländer seien gegen die Masse, die in die Schweiz ströme. Das höre er selbst von Ausländern, mit denen er bei Standaktionen ins Gespräch komme. «Die haben auch ein Interesse daran, dass die masslose Zuwanderung gestoppt wird. Vereinfacht gesagt: Im Gastgewerbe werden Ex-Jugoslawen von Deutschen verdrängt, auf dem Bau der Portugiese etwa vom Spanier.»