ZuwanderungEuropas Rechte hofft auf die SVP-Initiative
Der britische EU-Abgeordnete David Campbell Bannerman hofft, dass ein Ja der Schweiz zur Zuwanderungs-Initiative die EU wachrütteln wird. Andere Staaten würden nachziehen.
Als «EU-kritischen Haudegen» bezeichnete Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer den Briten David Campbell Bannerman jüngst. Cambell Bannerman ist Mitglied der Conservative Party (Tories) von Premier David Cameron und seit 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Seit Jahren propagiert er den EU-Austritt Grossbritanniens.
Herr Campbell Bannerman, welches Verhältnis haben Sie zur Schweiz – und wie eng verfolgen sie den Abstimmungskampf um die Initiative der SVP gegen die Masseneinwanderung?
Ich verfolge die Debatte mit grossem Interesse, ich bin auch Mitglied in der Delegation für die Beziehungen zur Schweiz und zu Norwegen. Die Schweiz schätze ich ausserordentlich wegen ihrer demokratischen Tradition und ihrer tollen, erfolgreichen Unternehmen.
Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union wandern pro Jahr durchschnittlich rund 80'000 Personen mehr in die Schweiz ein als aus. Viele Schweizer beklagen sich über verstopfte Züge und Strassen, über steigende Mieten und den Verlust kultureller Identität. Wie ist es auf der Insel?
In Grossbritannien gibt es genau die gleichen Ängste wie in der Schweiz. Bei der Zuwanderung müssen wir ein vernünftiges Gleichgewicht halten: Einerseits braucht es ein gesundes Mass an Einwanderung, um Talente ins Land zu bringen. Anderseits darf die Zuwanderung nicht so gross sein, dass sich die einheimische Bevölkerung von den Zuwanderern überrannt fühlt. In Grossbritannien schwoll die Bevölkerung um vier Millionen Personen an, als die Labour Party an der Macht war. Dies hat die Spaltung der britischen Gesellschaft verstärkt und zu ernsthaften Problemen geführt: Die Last auf Schulen, Spitälern und dem Transportwesen ist zu gross.
Die SVP will mit ihrer Initiative zurück zu den Kontingenten. Die Schweiz soll die Zuwanderung wieder selbst steuern können. Wie wird die EU bei einem Ja reagieren?
Ich sage nur so viel: Ihr Schweizer müsst keine Angst haben, dass ein Ja zur Initiative Strafaktionen der EU nach sich zieht. Die Schweiz ist einer der grössten Handelspartner der EU und die stagnierende Wirtschaft im EU-Raum braucht den Handel und die Investitionen der Schweiz. Es ist jedoch euch überlassen, wie ihr stimmt – ihr habt eine wunderbare demokratische Tradition und dürft entscheiden.
Aber Wirtschaft und Bundesrat warnen eindringlich vor den Risiken der Initiative. Wegen der sogenannten Guillotine-Klausel wären die ganzen Bilateralen I gefährdet. Würde die Schweiz nicht isoliert in Europa?
Noch einmal: Die Schweiz ist ein zu wichtiger Handelspartner. Die EU braucht die Schweiz, der Handel und die Kooperation werden in irgendeiner Form weitergehen. Die Schweiz sollte sich nicht von der undemokratischen und bürokratischen EU tyrannisieren lassen. Ihr müsst das machen, was gut für das Land ist, und nicht das, was gut für die EU ist.
Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, sagte kürzlich, dass die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar sei. Die EU werde der Schweiz ohne Personenfreizügigkeit niemals den Zugang zum Binnenmarkt gewähren. Sollten das nur leere Drohungen sein?
Frau Reding ist eine fürchterliche EU-Föderalistin. Sie wird alles daran setzen, einen europäischen Superstaat zu schaffen und die freien Nationen zu zerstören. Sie ist der beste Werbeträger dafür, weshalb Grossbritannien die EU verlassen sollte. Natürlich kann sie auf der Personenfreizügigkeit beharren, aber die wirtschaftliche Situation der EU wird sich in diesem Fall verschlechtern.
Wird sich die EU je auf Neuverhandlungen beim Personenfreizügigkeitsabkommen einlassen?
Brüssel wird nicht darum herumkommen. Zu viele EU-Staaten und auch Nichtmitgliedstaaten wie die Schweiz stellen es auf die Probe. Es sollte eine Freizügigkeit nicht für Personen, sondern für Erwerbstätige geben und nur, wenn es freie Stellen gibt. (In der EU gilt das allgemeine Freizügigkeitsrecht, das heisst anders als in der Schweiz dürfen sich EU-Bürger auch in anderen EU-Staaten niederlassen, wenn sie nicht erwerbstätig sind, Anm. d. Redaktion). Reichere Volkswirtschaften wie die Schweiz und England sollten zudem das Recht haben, eine Steuerung mittels Visa wieder einzuführen. Nehmen wir Länder wie Rumänien oder Bulgarien als Beispiel: Dort sind die Löhne rund sechs Mal tiefer als in Grossbritannien. Ich tadle die Leute nicht, wenn sie deshalb auswandern wollen. Die volle Freizügigkeit ist hier aber Wahnsinn. Wir können diese Zahlen nicht verkraften.
Also ist Ihrer Meinung nach die Personenfreizügigkeit in der heutigen Form ein Auslaufmodell?
Ja, genau. Dem gefährlichen Wohlstandtourismus und der kommunistischen Vision eines vereinigten Europas sollte ein Ende gesetzt werden.
Auch in der EU sägen einige Politiker, vor allem in Deutschland und Grossbritannien, an der Personenfreizügigkeit. Wegen der Erweiterung im Osten und der Krise der südlichen Staaten macht die Angst vor Armutsmigration die Runde. Was würde es für diese Debatte bedeuten, wenn das Schweizer Volk die Initiative annimmt?
Ich denke, ein Ja der Schweizer würde die EU wachrütteln und elektrisieren. Denn die Gefühle gegen die Masseneinwanderung gibt es ja nicht nur in der Schweizer Bevölkerung, sondern auch anderswo in Europa. Die Schweiz würde eine Vorreiterrolle einnehmen und andere Staaten würden schnell nachfolgen.

Der Brite David Campbell Bannerman ist Mitglied der Conservative Party (Tories) von Premier David Cameron. Seit 2009 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament. Von 2004 bis Mai 2011 war er Mitglied der EU-skeptischen Independence Party des Königreichs. Im Dezember letzten Jahres erschien sein Buch «Time to Jump», in dem er den EU-Austritt Grossbritanniens propagiert. Mitte der 90er-Jahre war der Ökonom im Friedensprozess Sonderberater des Staatssekretärs für Nordirland.