Spannung steigtSVP-Initiative: Es wird knapper als erwartet
In zwei Wochen stimmt die Schweiz über die Zuwanderungsinitiative ab. Eine Umfrage von 20 Minuten zeigt: Die SVP darf sich durchaus Hoffnungen auf einen Erfolg machen.

Alle gegen die SVP: Mit dem Holzfäller-Sujet versuchen die Befürworter der Personenfreizügigkeit, Nein-Stimmen zur Initiative zu gewinnen. Ob das klappt, wird sich am 9. Februar zeigen.
Die ersten Meinungsumfragen zur Zuwanderungsinitiative liessen die Politkommentatoren ein wenig ratlos zurück: Die beiden Meinungsforschungsinstitute Isopublic und GFS Bern vermeldeten einen Zuspruch von nur 36 respektive 37 Prozent für die SVP-Vorlage. Dabei hatten die intensiven Debatten rund um Dichtestress, teure Wohnungen und Lohndumping einen höheren Ja-Anteil erwarten lassen. Verfechter der Personenfreizügigkeit befürchten denn auch einen «Minarett-Effekt»: Dass das Resultat an der Urne ganz anders ausfällt als bei Umfragen – auch, weil einige Umfrageteilnehmer nicht ehrlich Auskunft geben.
Eine Umfrage von 20 Minuten, an der 26'000 Leser mitmachten, deutet darauf hin, dass es am 9. Februar tatsächlich knapper werden dürfte: 49 Prozent der Teilnehmer gaben an, Ja stimmen zu wollen. 45 Prozent sind gegen die Initiative, gut 6 Prozent sind noch unentschlossen.
Die Daten wurden von den beiden Politologen Lucas Leemann (Columbia University New York) und Fabio Wasserfallen (Uni Zürich) nach gewissen Kriterien gewichtet, um eine möglichst genaue Abbildung der Stimmung im Volk zu erreichen (siehe Box).
Hinter vorgehaltener Hand geben sich SVP-Exponenten überzeugt, dass sie bei der Abstimmung einen Triumph einfahren werden. Doch obwohl die Initianten derzeit die Nase vorne haben, gehen Leemann und Wasserfallen davon aus, dass am Ende ein Nein resultiert. Denn die Unterstützung für die Initiative nimmt tendenziell ab – das zeigt ein Vergleich mit der ersten Welle der Umfrage, die 20 Minuten acht Tage früher durchgeführt hatte.
Wähler sind sich der Konsequenzen bewusst
Die Umfrage von GFS Bern zeigt, dass die Argumente der Initianten auf eine hohe Zustimmung stossen. Der Unmut in der Bevölkerung über die Zuwanderung ist also gross. Dennoch gebe es einen wesentlichen Unterschied zur Minarett-Initiative, sagt Leemann: «Die Stimmbürger wissen, dass eine Annahme der Masseneinwanderungsinitiative Folgen hat.» Die Regelung der Zuwanderung sei eine Frage von viel grösserer politischer Reichweite als das Verbot von Gebetstürmen, mit dem man sozusagen gratis ein Zeichen setzen konnte.
Die Gegner der Initiative wissen das laut Wasserfallen haargenau – so hat auch Justizministerin Simonetta Sommaruga in der «Arena» diese Karte ausgespielt. Sie und ihre Mitstreiter rücken die Unsicherheit und die möglichen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen der Initiative in den Vordergrund. «Dies sollte das Nein-Lager stärken, weil die Bedenken zu den Folgen der Initiative laut GFS-Analyse breit verankert sind», so Wasserfallen.
Die beiden Politologen ziehen deshalb das Fazit: Es spricht einiges für eine Ablehnung – auch wenn diese knapper ausfallen dürfte als erwartet. Eine Auswertung nach geografischen Kriterien zeigt aber auch, dass die Initiative nicht am Ständemehr scheitern würde, falls sie wider Erwarten ein Volksmehr erreicht.
Zuwanderungsskepsis im Ökolager
Interessant ist ein Blick auf die Auswertung der Umfrageresultate nach Parteisympathie. So ist die Zustimmung für die Initiative bei grünen Wählern (rund 30 Prozent) deutlich höher als bei SP-Wählern (23 Prozent). Bei den Sympathisanten der Grünliberalen wollen 40 Prozent Ja stimmen, bei der normalerweise weiter rechts politisierenden BDP nur 34 Prozent. Das deutet darauf hin, dass Bedenken gegen die Zuwanderung in Ökokreisen durchaus verbreitet sind – etwa wegen der Zersiedelung der Landschaft. Solche Motive könnten später bei der anstehenden Abstimmung zur Ecopop-Initiative eine zentrale Rolle spielen.
Bei der Bahnausbau-Vorlage (Fabi) liegen die Befürworter vorne, wenn auch nur knapp. Nur Wähler der SVP lehnen sie mehrheitlich ab – sie ist auch die einzige Partei, welche die Milliardeninvestition aktiv bekämpft. Der Anteil der Unentschiedenen ist aber noch ziemlich hoch:
Chancenlos dürfte die dritte Vorlage bleiben: Nur 28 Prozent sprechen sich für die Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» aus. Diese will erreichen, dass Krankenkassen die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche künftig nicht mehr übernehmen müssten.
Die Umfrage
Die Umfrage von 20 Minuten war ab Samstagmittag, 18. Januar, 48 Stunden lang online, 26'000 Leser haben mitgemacht. Die beiden Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen haben die Daten so gewichtet, dass die Stichprobe möglichst gut der Struktur der Stimmbevölkerung entspricht so wurde beispielsweise die Haltung der im Sample untervertretenen Frauen, Grünen-Wähler oder über 50-Jährigen stärker gewichtet. Ein Vorteil der Methode ist laut Leemann und Wasserfallen die grosse Stichprobe. Ein Nachteil ist hingegen, dass sich nicht überprüfen lässt, wie repräsentativ die Auswahl ist. Meinungsforschungsinstitute wie das GFS stellen diese Repräsentativität durch eine Zufallsauswahl der Teilnehmer sicher. (hhs)