«Erneuerbare Energien bedrohen die Ölindustrie»

Aktualisiert

Pleitewelle«Erneuerbare Energien bedrohen die Ölindustrie»

Eine Konkurswelle erfasst US-Ölfirmen. Das sei auch eine Folge des Machtkampfs zwischen fossilen und erneuerbaren Energien, sagt ein Experte.

sda/pam
von
sda/pam
Die US-Ölbranche ächzt unter dem tiefen Ölpreis: Im ersten Quartal dieses Jahres gingen 15 amerikanische Öl- und Gasfirmen pleite. Seit 2014 wurden insgesamt bereits 59 US-Firmen von der Pleitewelle erfasst.
Betroffen sind auch Unternehmen, die in die Fracking-Technologie investiert hatten. Beim aktuellen Ölpreis ist diese teure Technologie kaum mehr rentabel.
Für Energieforscher Daniele Ganser ist die Pleitewelle in den USA Ausdruck davon, dass die riesigen Investitionen in erneuerbare Energien, die derzeit weltweit getätigt werden, die Ölbranche in Bedrängnis bringe: «Erneuerbare Energien sind eine echte Bedrohung für die Ölfirmen.»
1 / 3

Die US-Ölbranche ächzt unter dem tiefen Ölpreis: Im ersten Quartal dieses Jahres gingen 15 amerikanische Öl- und Gasfirmen pleite. Seit 2014 wurden insgesamt bereits 59 US-Firmen von der Pleitewelle erfasst.

AP/Eric gay

Der Ölpreisverfall hat in den USA eine Pleitewelle in der Branche ausgelöst. Durch die massiv gesunkenen Erlöse sahen sich im ersten Quartal dieses Jahres 15 Öl- und Gasfirmen in Amerika gezwungen, einen Antrag auf Gläubigerschutz zu stellen. Seit 2014 wurden bereits 59 US-Unternehmen Opfer der sinkenden Ölpreise, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Wenn sich die Pleitelawine fortsetzt, könnte sie laut Analysten gar grössere Ausmasse annehmen als das Firmensterben in der US-Telekombranche in den Jahren nach 2000. Damals meldeten 68 Unternehmen Insolvenz an.

Für Daniele Ganser, Historiker und Leiter des Swiss Institute for Peace and Energy Research, ist diese Konkurswelle Ausdruck davon, dass die riesigen Investitionen in erneuerbare Energien, die derzeit weltweit getätigt werden, die Ölbranche in Bedrängnis bringen: «Erneuerbare Energien sind eine echte Bedrohung für die Ölfirmen.» 2014 investierte China laut einem Bericht der Vereinten Nationen mehr als 83 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien, und jedes Jahr wächst dieser Betrag im zweistelligen Prozentbereich. Die USA kommen zwar an zweiter Stelle, ihr jährlicher Kapitaleinsatz für erneuerbare Energien ist jedoch nur halb so hoch wie jener Chinas.

Verluste wegen Fracking-Technologie

Betroffen von der US-Konkurswelle sind auch Firmen, die in die Fracking-Technologie investierten. Fracking ist nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes umstritten, sondern auch aufwendig und teuer. «In Zeiten hoher Ölpreise herrscht Goldgräberstimmung, und Investitionen in riskante Technologien werden ohne grosse Überlegungen getätigt», sagt Ganser. Sobald aber der Preis pro Barrel unter die 50-Dollar-Marke sinke, werde den Betreibern klar, dass mit diesen Bedingungen keine Geschäfte mehr zu machen sind.

Der Ölpreis hat sich mittlerweile wieder auf um die 49 Dollar pro Barrel erholt, nachdem es im Februar diesen Jahres noch 27 Dollar waren. Aber auch die aktuellen Notierungen liegen weit unter den Spitzenwerten von mehr als 100 Dollar vor zwei Jahren, kurz bevor die Werte in den Keller rasselten. Seit Mitte 2014 haben US-Energiefirmen insgesamt fast eine Billion Dollar an Börsenwert eingebüsst.

«Kalkulierte Profite könnten keinen Cent mehr wert sein»

Der Machtkampf um die Deutungshoheit im Energiesektor zwischen Akteuren der fossilen und erneuerbaren Energie hat laut Energieforscher Ganser erst begonnen. Wie lange sich die Erdölbranche behaupten könne, sei schwer abzuschätzen. «Das hängt einerseits davon ab, wie sich führende Förderländer verhalten», sagt Ganser. Saudi-Arabien zum Beispiel investiere bereits jetzt einen Grossteil der Gewinne in neue Geschäftsfelder, dasselbe passiere in Norwegen, das im grossen Stil auf erneuerbare Energien setze. «Andererseits kommt es darauf an, ob erneuerbare Energieträger gegenüber dem Öl konkurrenzfähig werden und eine echte Alternative bieten.»

Für Ganser ist die Preisentwicklung der beiden sich konkurrenzierenden Technologien aber nicht der einzige entscheidende Faktor. Er sieht es als Möglichkeit, dass Staaten irgendwann beschliessen, die Ölförderung zu verbieten, um die Klimaziele zu erreichen: «Dann sind die die kalkulierten Profite der Ölkonzerne, die darauf beruhen, alle Ölfelder auszuschöpfen, keinen Cent mehr wert.»

Themenschwerpunkt Energie - Energy Challenge

Die Energy Challenge 2016 ist eine nationale Aktion von Energie Schweiz und dem Bundesamt für Energie rund um die Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Als Medienpartner beleuchtet auch 20 Minuten den Themenschwerpunkt mit Grafiken, Reportagen und Interviews. Weitere Informationen gibt es in der offiziellen App, die hier für Android und hier für iOS heruntergeladen werden kann.

Deine Meinung zählt