Kritik an Kultursubventionen«Bald mehr Filmemacher als Zuschauer»
Die radikal-liberale Kleinpartei up! will die staatliche Kulturförderung in der Schweiz abschaffen. Dafür gibts Applaus aus der SVP. Vertreter anderer Parteien schütteln den Kopf.
Am Wochenende erhielt der Freiburger Musiker Franz Treichler in Lausanne den ersten Grand Prix Musik - dotiert mit 100'000 Franken. Die Auszeichnung ist nur ein kleiner Posten im Kulturförderungs-Budget des Bundesamts für Kultur (BAK). In den Jahren 2016 bis 2019 will der zuständige Bundesrat Alain Berset (SP) 895 Millionen Franken für die Förderung von Kultur ausgeben - das sind 112 Millionen Franken mehr als in der laufenden Budgetperiode.
Ginge es nach dem Willen der Unabhängigkeitspartei up!, würden diese Gelder komplett gestrichen. Die erst im Juni gegründete liberale Kleinpartei hat den Bund im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens dazu aufgefordert, sich gänzlich aus der Kultur zurückzuziehen. Co-Präsident Simon Scherrer bezeichnet das heutige System als absurd: «Der Staat finanziert die Kultur mit Steuergeldern der Bürger. Es wäre doch viel sinnvoller, die Leute würden ihr Geld direkt für die Kulturangebote ausgeben, die sie interessieren.»
«Rot-grüner Filz»
So würde Kunst gefördert, die den Bürgern auch wirklich entspricht, ist Scherrer überzeugt. Zudem hätten die Kulturschaffenden bei privater Finanzierung einen stärkeren Anreiz, Überdurchschnittliches zu leisten. «Wenn die Kunstschaffenden sowieso Geld vom Bund kommen, schlägt das auf die Motivation. Die Versuchung, bequem zu werden, ist gross.»
Zuspruch erhalten die Jungpolitiker von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Für ihn hat die Kulturförderung nur dort ihre Berechtigung, wo sie der Denkmalpflege dient. «Es ist unglaublich, was heute sonst alles mit diesen Geldern finanziert wird - vor allem im Bereich Film. Es gibt in der Schweiz ja bald mehr Filmemacher als Zuschauer!» Zudem sei die Kulturszene ein «grausames Biotop»: «Das ist ein rot-grüner Filz aus Kulturbürokraten, die sich gegenseitig Preise zuschachern.»
«Selbst Star-Regisseure gehen leer aus»
Für Matthias Aebischer, Präsident der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, entbehrt die Kritik jeglicher Grundlage. «Wenn ich am Eidgenössischen Jodlerfest bin, habe ich also nicht gerade das Gefühl, nur von Linken umgeben zu sein», meint er lakonisch. Die Forderungen einer noch kaum etablierten Kleinstpartei müssten mit Vorsicht beurteilt werden. «Dass unser Kultursystem so ausgestaltet ist, wie es ist, hat gute Gründe. Der Kulturaustausch ist für die Schweiz mit ihren 26 Kantonen und den vier verschiedenen Sprachregionen von grosser Wichtigkeit.»
Aebischer betont, kein Künstler bekomme einfach so Stipendien: «Nur ein kleiner Teil der jährlich eingereichten Gesuche wird vom Bund unterstützt - und dies erst nach akribischer Prüfung. Selbst Star-Regisseure gehen oft leer aus und müssen immer wieder für Unterstützung kämpfen.» Von Künstlern, die es sich auf Staatskosten gutgehen lassen, könne deshalb keine Rede sein.
Idee selbst dem Freisinn zu liberal
Wenig Verständnis für die Forderung nach einer Abschaffung der Kulturfinanzierung hat auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen - obwohl die Gründer von up! ursprünglich ebenfalls aus den Reihen der Jungfreisinnigen stammen. «Eine rein private Finanzierung von Kultur würde lediglich die Populärkultur fördern», ist er überzeugt.
Was den Umfang des Budgets betrifft, ist allerdings auch für ihn eine Schmerzgrenze überschritten: «895 Millionen sind zu viel, Bundesrat Berset richtet hier mit zu grosser Kelle an.» Insbesondere bei den vom BAK organisierten Preisverleihungen «könnte man Geld sparen, ohne dass es jemandem weh tut».