Tierhaltung«Bund fördert Beton-Auslauf für Kälber»
Ob ein Rind auf einer Wiese weidet oder Auslauf im Laufstall hat, wird vom Bund gleich abgegolten. Das stört Grüne, Bauern und Tierschützer.
Kalb eins lebt allein auf einer Fläche von 3,5 Quadratmetern. Ein Quadratmeter davon ist nicht überdacht und dient somit als Auslauffläche.
Kalb zwei grast zusammen mit anderen Jungtieren auf der Weide und kann sich dort frei bewegen.
Die Halter von Kalb eins und Kalb zwei erhalten dafür gleich viele Fördergelder. «Das ist ein absoluter Fehlanreiz – der Bund fördert auf diese Weise den Auslauf auf Beton», kritisiert der grüne Nationalrat Louis Schelbert, der den Bundesrat in einem Vorstoss mit dem Thema konfrontiert. Der Bund vergibt die Beiträge im Rahmen des Programms RAUS, was für «Regelmässiger Auslauf im Freien» steht.
Bundesrat zum Handeln aufgefordert
Fürs Tierwohl mache es einen grossen Unterschied, ob Rinder und Kälber auf die Weide dürften oder nicht, so Schelbert. Er fordert den Bundesrat dazu auf, die RAUS-Beiträge zu korrigieren. «Ein Bauer, der auf Auslauf beim Stall setzt, soll deutlich weniger Geld erhalten als jener, dessen Tiere Gras unter den Füssen spüren.»
Die Entwicklung ist für ihn umso bedenklicher, als dass die Zahl der Grossbetriebe in der Schweiz zunimmt. So hat sich die Zahl der Betriebe, die über hundert Milchkühe halten, zwischen 2010 und 2015 mehr als verdoppelt.
«Weidetiere erkranken seltener»
Auch dem Schweizer Tierschutz STS sind die Kriterien des Bundes ein Dorn im Auge: Zahlreiche Studien belegten, dass es Tieren bei Weidehaltung deutlich besser gehe, sagt Geschäftsführer Hansuli Huber: «Sie erkranken seltener, haben weniger Abriebe am Fell, ihre ganze Gesundheit ist besser.»
Allerdings sei der Aufwand und der Flächenbedarf für eine Weidehaltung deutlich höher als für einen Beton-Auslauf: «Dies muss bei der Beitrags-Vergabe zwingend abgegolten werden.» Ansonsten sei dies für Tierhalter geradezu eine Einladung, noch mehr Tiere pro Betrieb zu halten – und dafür beim Auslauf zu sparen.
Bauern wollen keine Kürzungen bei Stall-Auslauf
Bauernpräsident Markus Ritter (CVP) betreibt auf seinem Hof, auf dem er rund 30 Milchkühe hält, selber intensive Weidewirtschaft. «Das ist deutlich aufwändiger als einen Auslauf beim Stall zu bauen», bestätigt er. Er spricht sich deshalb auch im Namen des Bauernverbands für höhere RAUS-Beiträge bei Weidehaltung aus.
Von einer Kürzung, wenn ein Landwirt seinen Tieren in Laufställen Auslauf gewährt, will er aber nichts wissen. «Das Niveau dieser Zahlungen muss stabil bleiben, während die Beiträge für die Weidehaltung erhöht werden. Damit kann die Weidehaltung gefördert werden.»
«Feinjustierung» im Gang
Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW bestätigt, dass «bis anhin» bei den RAUS-Beiträgen nicht zwischen den beiden Haltungsformen unterschieden wird. Der Standard-Auslauf, bei dem die Tiere mindestens zwischen Mai und Oktober regelmässig auf die Weide dürfen, werde gleich abgegolten wie der ganzjährige Zugang zu einem «alternativen» Auslauf, also zu einem Laufstall.
Allerdings werde das System laufend «feinjustiert», so Sprecher Jürg Jordi. «Die nächste Möglichkeit ergibt sich im sogenannten Verordnungspaket 2017, das gegenwärtig in Vernehmlassung ist.» Ob es eine Anpassung gibt, sei Sache des Bundesrats.