«Dann sagt Bern, wann wir das Handy laden dürfen»

Aktualisiert

Magdalena Martullo-Blocher«Dann sagt Bern, wann wir das Handy laden dürfen»

Sie spart privat und beruflich Energie. Trotzdem ist die Ems-Chefin und SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher gegen das neue Energiegesetz.

D. Pomper
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D. Pomper
«Energie ist nicht selbstverständlich und soll nicht verschleudert werden», sagt Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher. Schon als sie noch in der Primarschule gewesen sei, sei Energiesparen ein grosses Thema gewesen. «Die Schule führte damals einen Wettbewerb durch. Ich brachte weit über 100 Ideen zusammen, wie man Energiesparen kann und gewann somit. So lebe ich auch heute – als Unternehmerin und privat: Das Licht beim Verlassen des Zimmers löschen, Wasser im Wasserkrug wärmen, Pfannen zudecken, ungebrauchte Zimmer nicht heizen, 10 Minuten lüften, duschen statt baden ...»
Die Ems-Chemie sei massgeblich daran beteiligt, dass Autos immer weniger Treibstoff brauchten und immer weniger CO2 ausstossen würden: «Mit unseren Spezial-Kunststoffen ersetzen wir Metall im Auto und können dadurch das Gewicht halbieren. Je leichter das Auto, desto weniger Treibstoff braucht es.» Martullo-Blocher im Sitzungszimmer der Ems-Chemie in Herrliberg ZH.
Am 21. Mai stimmen wir über das revidierte Energiegesetz ab. Ein überparteiliches Komitee der SVP hat das Referendum dagegen ergriffen. Auch Martullo-Blocher kämpft an vorderster Front gegen die Energiestrategie 2050.
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«Energie ist nicht selbstverständlich und soll nicht verschleudert werden», sagt Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher. Schon als sie noch in der Primarschule gewesen sei, sei Energiesparen ein grosses Thema gewesen. «Die Schule führte damals einen Wettbewerb durch. Ich brachte weit über 100 Ideen zusammen, wie man Energiesparen kann und gewann somit. So lebe ich auch heute – als Unternehmerin und privat: Das Licht beim Verlassen des Zimmers löschen, Wasser im Wasserkrug wärmen, Pfannen zudecken, ungebrauchte Zimmer nicht heizen, 10 Minuten lüften, duschen statt baden ...»

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Frau Martullo-Blocher, was sind Sie privat für ein Energietyp? Haben Sie zu Hause Solarpanels oder LED-Lämpchen?

Ich habe LED-Lampen. Ich heize mit einer Erdsonde. Die Fenster sind top isoliert. Solarzellen habe ich bewusst keine. Sie machen energetisch, finanziell und umweltmässig keinen Sinn. Schon als ich noch in der Primarschule war, war Energiesparen ein grosses Thema. Die Schule führte damals einen Wettbewerb durch. Ich brachte weit über 100 Ideen zusammen, wie man Energiesparen kann und gewann somit. So lebe ich auch heute – als Unternehmerin und privat: Das Licht beim Verlassen des Zimmers löschen, Wasser im Wasserkrug wärmen, Pfannen zudecken, ungebrauchte Zimmer nicht heizen, 10 Minuten lüften, duschen statt baden ... Energie ist nicht selbstverständlich und soll nicht verschleudert werden. Aber natürlich brauche auch ich Energie für mein Handy, meinen Computer und vor allem für mein Unternehmen.

Wo spart die Ems-Chemie Energie?

Wir brauchen heute 40% weniger Energie pro Kilogramm Kunststoff als noch vor 15 Jahren. Mit Energiesparen beschäftigen wir uns dauernd. So sind wir das Unternehmen in der Schweiz, das am meisten CO2 eingespart hat, rund 85%! Wir sind auch mit dem Energiepreis des Bundes ausgezeichnet worden und haben jährliche Vereinbarungen für Energiesparprojekte. Aber auch mit unserem Geschäftsmodell sparen wir Energie. Ems-Chemie ist massgeblich daran beteiligt, dass Autos immer weniger Treibstoff brauchen und immer weniger CO2 ausstossen. Mit unseren Spezial-Kunststoffen ersetzen wir Metall im Auto und können dadurch das Gewicht halbieren. Je leichter das Auto, desto weniger Treibstoff braucht es.

Auch der Bundesrat will mit dem revidierten Energiegesetz den Energieverbrauch senken. Die Energieeffizienz soll erhöht und erneuerbare Energien gefördert werden. Zudem soll der Bau neuer Kernkraftwerke verboten werden. Was halten Sie davon?

Das sind alles schöne Absichten. Effektiv zwingt uns alle das Gesetz aber, unseren gesamten Energieverbrauch bis 2035 zu halbieren. Das betrifft nicht nur Strom, sondern auch Benzin, Öl, Gas und Holz. Der Staat will die Energien so stark verteuern oder den Verbrauch so drastisch einschränken, dass wir nicht mehr anders können als bedeutend weniger zu brauchen. Unser Verbrauch muss auf den Verbrauch von 1966 zurückgeschraubt werden. Zuerst werden die Subventionen für Wind- und Sonnenenergie noch mit weiteren 1,3 Milliarden Franken subventioniert. Das kostet jeden Haushalt 40 Franken. Die grossen Kosten kommen aber aus dem Umbau des Energiesystems und den Abgaben zur Verbrauchssenkung auf uns zu. Der Bundesrat spricht selber von 200 Milliarden Franken, das sind dann 3200 Franken pro Haushalt pro Jahr. Das Energiegesetz schreibt vor, dass der Bund alle fünf Jahre überprüfen muss, ob die Halbierung des Verbrauchs erreicht wird. Sonst muss er Massnahmen ergreifen.

Woran denken Sie?

Er kann bei jedem Haushalt Energiemessgeräte installieren und den Verbrauch mit seinem Wunschverbrauch vergleichen. Er kann uns dann genau vorschreiben, wann wir welche und wie viel Energie verbrauchen dürfen. Der Staat sagt uns dann also, wann wir kochen, duschen, staubsaugen, reisen oder etwa unser Handy aufladen dürfen. Ob wir Energie verbrauchen dürfen oder nicht, hängt dann wohl davon ab, ob die Sonne scheint oder der Wind bläst oder ob uns Deutschland gerade Kohlestrom liefert. Stellen Sie sich das einmal im Arbeitsalltag vor. Hausbesitzer werden noch gezwungen, Gebäudesanierungen durchzuführen oder Ölheizungen herauszureissen. Die Kosten zahlen die Mieter über höhere Mieten, der Vermieter kann einen Teil bei den Steuern abziehen.

Der Bundesrat widerspricht diesem Szenario und betont das Potenzial der einheimischen erneuerbare Energie. Indem wir einheimische erneuerbare Energien stärkten, könnten wir die Abhängigkeit fossiler Energieträger vom Ausland reduzieren. Die Schweiz gibt immerhin jährlich 13 Milliarden Franken für Erdöl- oder Gaslieferungen aus Ländern wie Russland, Kasachstan oder Libyen aus.

Aber wodurch sollen wir denn Benzin, Diesel und Gas ersetzen? Durch Strom? Der muss ja auch wieder irgendwie produziert werden. Einheimische erneuerbare Energie reicht da nicht aus. Wir werden dann Kohlestrom aus Deutschland oder Atomstrom aus Frankreich importieren. Kohlestrom ist ja wirklich das Schlimmste, was es gibt. Die Luftbelastung und der CO2-Ausstoss sind nicht zu verantworten. Auch Öl und Gas kann man übrigens durchaus auch aus demokratischen Ländern wie den USA, Norwegen oder Kanada importieren.

Mit dem Energiegesetz soll Solar- oder Windenergie gefördert werden. Finden Sie es nicht wichtig, aus Verantwortung gegenüber der Umwelt und den nachfolgenden Generationen, erneuerbare Energien zu fördern?

Ich bevorzuge auch saubere, sichere Technologien. Leider sind aber gerade Solarzellen überhaupt nicht umweltfreundlich. Ihre Herstellung ist sehr giftig und die Entsorgung auch noch nicht geregelt. Sie werden deshalb an Orten mit geringen Umweltauflagen, in erster Linie in Asien, produziert. Ich war im Solarzentrum von China, dort wo Solarzellen hergestellt werden. Ich sah selber, welche Umweltverschmutzung damit einhergeht. Mich überzeugt Wasserkraft am meisten. Das ist saubere Energie, ohne CO2, sie lässt sich gut steuern und ist relativ günstig. Weil man die anderen Alternativenergien so stark subventioniert, ist nun sogar die Wasserkraft nicht mehr konkurrenzfähig. Dieses Problem löst das neue Energiegesetz nicht. Von den 1,3 Milliarden zusätzlichen Subventionen gehen gerade mal 120 Millionen Franken an die Wasserkraftwerke. Das ist nicht einmal ein Zehntel der Summe, die nötig wäre. Wenn es nach dem neuen Energiegesetz geht, zahlen wir noch bis 2042 Subventionen für Sonne und Wind. Dies, obwohl es bis dann wohl schon viel bessere Technologien gibt.

Dank der Energiestrategie werden laut den Befürwortern neue Arbeitsplätze und Investitionen in der Schweiz geschaffen. Eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz sollte doch auch in Ihrem Sinne sein?

Klar, es gibt Leute, die von den Subventionen profitieren würden. Im Kanton Graubünden haben die Grünliberalen eine Studie in Auftrag gegeben, die sagte, das neue Energiegesetz brächte 0,7 Prozent neue Arbeitsplätze. Das ist nun wirklich wenig. Aber gewisse Stellen im Baugewerbe, diejenigen die Solarzellen installieren und Gebäudesanierungen berechnen oder durchführen, hätten kurzfristig mehr Aufträge. Aber auch sie bezahlen und müssen ihren Bedarf halbieren. Deshalb ist auch der Schweizerische Baumeisterverband gegen das Gesetz. Weil die Windräder und Solarzellen und die fehlende Energie aus dem Ausland kommen, bleibt das Geld natürlich kaum hier. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird mit dem Energiegesetz sicher auch nicht gestärkt. Im Gegenteil. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen geraten unter die Räder.

Inwiefern?

Nehmen wir eine Bäckerei. Der Bäcker wird gezwungen, seine Backstube zu renovieren und zum Backen nur noch halb so viel Strom zu verbrauchen, für den er aber bedeutend mehr bezahlen muss. Da müssen Sie viele Brote verkaufen, damit die Rechnung aufgeht. Da nützt auch ein Steuerabzug nichts.

Die grossen Unternehmen aber blieben von der Energiestrategie verschont.

Ja, sie sind ausgenommen, weil sie sonst nicht mehr in der Schweiz produzieren würden. Das gilt auch für die Ems-Chemie. Aber auch die grossen Unternehmen sind betroffen, weil die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Die Netze werden durch Flatterstrom und Import stark belastet sein, so dass wir mehr Stromunterbrüche haben werden. Das kostet. Bei der Ems-Chemie kostet uns jeder noch so kurze Stromausfall im Schnitt eine Viertel Million Franken.

Dennoch unterstützen weder der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse noch der Gewerbeverband das Referendum der SVP. Das Gegenkomitee kämpft auf ziemlich einsamen Posten.

Das stimmt nicht. Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (Swissmem), die Pharma- und Chemiebranche, der Schweizerische Baumeisterverband, Gastrosuisse, die Autoverbände, Swissmechanic, Schweizer Bäcker-Confiseure, Freie Landschaft Schweiz und viele Unterverbände und kantonale Handelskammern sind vehement dagegen. Leider konnte sich Economiesuisse als Dachverband der Wirtschaft nicht zu einer Parole durchringen. Banken und Versicherungen wollten sich hier nicht politisch äussern. Die Industrieverbände sind aber klar dagegen.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft. Wie sieht das Energieland Schweiz in fünfzig Jahren aus?

Wenn wir nicht alles mit dem neuen Energiegesetz zementieren, werden wir weniger und andere Energien und bessere Energieformen nutzen. Wir werden aber trotzdem Wohlstand haben und uns Energien leisten können. Auch unsere kleineren und mittleren Betriebe können überleben und die Arbeitsplätze weiter anbieten. Wir sind frei und müssen nicht unter einer staatlichen Planwirtschaft leiden. Zurzeit gibt es genügend vielversprechende Energie-Entwicklungen auf der Welt, die diese Möglichkeiten erahnen lassen. Wir sollten dafür offen bleiben.

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