No-Billag-Debatte«Das Parlament wird einen Teil der SRG retten»
Laut Politologe Nenad Stojanovic bedeutet ein Ja zu «No Billag» nicht das Ende der SRG: Das Parlament könne von einer wörtlichen Umsetzung absehen.
Herr Stojanovic, es mehren sich Stimmen, die sagen, bei einer Annahme der No-Billag-Initiative gingen bei der SRG die Lichter gar nicht aus, weil die Mehrheit des Parlaments die SRG nicht liquidieren will. Wäre eine Nicht-Umsetzung wie bei der SVP-Masseneinwanderungsinitiative (MEI) möglich?
Vielen ist das womöglich nicht bewusst: Das Parlament ist frei in seiner Entscheidung, wie es Verfassungsbestimmungen umsetzt. Hält es sich nicht an den Wortlaut der Initiative, drohen ihm auch keine Sanktionen.
Im Falle einer Annahme von «No Billag» rechnet aber auch die SRG damit, dass die Lichter ausgehen.
Im Initiativtext steht nicht: Die SRG wird liquidiert. Und die Initianten bestreiten, dass es die SRG nicht mehr geben wird. Ich sehe eine Parallele zur MEI, die im Wortlaut keine Kündigung der bilateralen Verträge verlangte, obwohl das wohl die Folge einer hunderprozentigen Umsetzung gewesen wäre. Im Falle eines Ja zu «No Billag» bin ich sicher, dass das Parlament einen kreativen Weg finden wird, mindestens einen Teil der SRG zu retten. Ich hoffe aber, dass wir uns nicht mit der Umsetzung befassen müssen. Meiner Meinung nach ist die SRG ist für den nationalen Zusammenhalt viel zu wichtig, um dieses riskante Spiel einzugehen.
Mit welchen Argumenten könnte man eine «Umsetzung light» begründen?
Ein Grund für eine nicht verfassungskonforme Umsetzung kann sein, dass eine wörtliche Umsetzung viele gravierende Probleme auslösen würde, die im Abstimmungskampf nicht zur Sprache kamen. So könnte man argumentieren, die Initianten hätten die Folgen beschönigt. Ich bin aber weiterhin der Meinung, dass sich das Parlament im Normalfall an die Verfassung halten sollte. Tut es das nicht, weil eben schwerwiegende Folge drohen, sollte die Umsetzung zwingend dem Volk vorgelegt werden. Darum hatte ich bei der MEI das Referendum ergriffen.
Ist es eine Gefahr für die direkte Demokratie, wenn der Stimmbürger sich der Folgen eines Entscheids nicht mehr sicher sein kann?
Das Parlament verliert an Legitimität, wenn es sich über die Verfassung hinwegsetzt. Die Stimmbürger sollten nicht das Gefühl haben, dass ihre Entscheide ohnehin übergangen werden. Sonst wächst der Unmut, und die Institutionen nehmen Schaden.
Der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann sagt in der «Weltwoche»: «Neu werden Kompromisse in der Schweiz zunehmend nach erfolgreichen Initiativ-Abstimmungen verfertigt.» Hat das nicht zur Folge, dass immer extremere Initiativen lanciert werden, weil man schon mit einer Abschwächung rechnet?
Diese Gefahr ist latent. Darum sollten Umsetzungen wie gesagt dem obligatorischen Referendum unterstellt werden, wenn sie nicht verfassungsgetreu sind. Eine solche Regelung tut auch deshalb not, weil Volksinitiativen seit 2002 deutlich häufiger angenommen werden. Waren es zwischen 1893 und 1994 nur 12, sind es in den letzten 15 Jahren bereits 10. Diese stehen häufig im Widerspruch zu anderen Verfassungsartikeln oder internationalem Recht.