«Das ist das Ende der direkten Demokratie»

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MEI-Umsetzung«Das ist das Ende der direkten Demokratie»

Während alle anderen Parteien von einem guten Kompromiss sprechen, tobt die SVP. Jetzt kommt der Streit um die Zuwanderungsinitiative ins Parlament.

J. Büchi
von
J. Büchi

FDP-Mann Kurt Fluri kam ohne Umschweife zum Punkt: Eine wortgetreue Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) sei von Beginn an undenkbar gewesen, weil dadurch die bilateralen Verträge gefährdet würden, sagte er am Freitagmittag stellvertretend für die Kommissionsmehrheit vor den Medien.

Am anderen Ende des Rednerpults kritisierte SVP-Nationalrat Gregor Rutz im Namen der Minderheit den vorgeschlagenen «Softie»-Paragrafen scharf: Eine Lösung ohne Höchstzahlen und Kontingente stelle einen Bruch mit der Verfassung dar. Heinz Brand (ebenfalls SVP) versuchte derweil, zwischen den beiden seiner Rolle als Kommissionspräsident gerecht zu werden. Er sprach von einem mehrheitsfähigen Kompromiss.

Inländervorrang geplant

Die Szene ist ein Vorgeschmack auf die Debatte im Nationalrat, die noch für diesen Monat angesetzt ist. Bis im Februar haben die Politiker Zeit, um die MEI umzusetzen. Den Weg hat die Staatspolitische Kommission nun nach einer dreitägigen Beratung vorgespurt: Sie plädiert dafür, die Zuwanderung indirekt mithilfe eines sanften Inländervorrangs zu reduzieren (siehe Box). Nur die SVP-Delegation wehrte sich bis zum Schluss gegen dieses Modell.

«Das ist das Ende der direkten Demokratie, eine stinkfreche Nichtumsetzung des Volksentscheids», tobt SVP-Nationalrat Roger Köppel, der Europachef der Partei. Das Volk habe sich explizit für eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung mit Höchstzahlen und Kontingenten ausgesprochen. «Die Angsthasenpartei FDP geht vor der EU in die Knie. Die SP missachtet die Arbeiter, die von der Zuwanderung erdrückt werden.» Es stelle sich die Frage, was der Volkswille in der Schweiz überhaupt noch wert sei, wenn er dermassen mit Füssen getreten werde.

Das «Maximum des Möglichen»

Die anderen Parteien verteidigen die Kommissionslösung geschlossen – von FDP und CVP über Grüne und SP bis hin zu GLP und BDP. Sozialdemokrat Cédric Wermuth sagt: «Die SVP hat im Abstimmungskampf immer versichert, dass ihre Initiative mit der Personenfreizügigkeit vereinbar sei.» Deshalb sei es völlig klar, dass nun keine Massnahmen ergriffen würden, welche die bilateralen Beziehungen gefährden. «Die Kommission hat wohl fast das Maximum des Möglichen gemacht, um die Initiative umzusetzen, ohne dabei die Beziehungen zur EU grundsätzlich infrage zu stellen.» Die «schludrig gemachte Initiative» eins zu eins umzusetzen, sei unter diesen Voraussetzungen schlicht nicht möglich.

Für den Fall, dass die Umsetzung aus SVP-Sicht nicht zufriedenstellend ausfällt, hat Chef-Stratege Christoph Blocher bereits eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit angedroht. Roger Köppel spricht von einer Ultima Ratio: «Die SVP kämpft für die Begrenzung der Zuwanderung, jetzt im Parlament, dann sehen wir weiter.» Die Partei könnte auch das Referendum gegen das Umsetzungsgesetz ergreifen. Dies macht aus Köppels Sicht aber wenig Sinn: «Gegen dieses Nichts von einem wirkungslosen Gesetz kann man kein Referendum ergreifen.»

Einer möglichen weiteren Abstimmung schaut Cédric Wermuth gelassen entgegen: «Immerhin wäre dann einmal klar, worum es geht: Bilaterale Ja oder Nein.» Er sei «frohen Mutes», dass eine solche Abstimmung zu gewinnen wäre. Bisher hätten alle Volksentscheide und Umfragen gezeigt, dass die Bevölkerung hinter den Bilateralen steht. Auf Feld eins zurück will die sogenannte Rasa-Initiative, die im November zustande gekommen ist: Sie verlangt, dass der MEI-Entscheid komplett rückgängig gemacht wird.

Inländervorrang geplant

Mit einem dreistufigen Verfahren will die Staatspolitische Kommission des Nationalrats die Zuwanderung indirekt reduzieren:

besseren Ausschöpfung des inländischen Potenzials ergreifen und so die Arbeitslosigkeit in der Schweiz senken.

Stellenmeldepflicht eingeführt werden, wenn die Zuwanderung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.

«geeignete Abhilfemassnahmen» treffen. Diese müssten allerdings von der EU, konkret vom gemischten Ausschuss, bewilligt werden, sofern sie der Personenfreizügigkeit widersprechen.

(sda/jbu)

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