Täter von Rupperswil«Das zeugt von einer enormen Gefühlskälte»
Sexuelle und finanzielle Motive haben den Täter von Rupperswil zum Vierfachmord getrieben. Für Gerichtspsychiater Thomas Knecht ein Beweis von krasser Skrupellosigkeit.
Herr Knecht, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie hörten, wie der Täter in Rupperswil vorgegangen ist?
Es ist erstaunlich, dass jemand, der zuvor nie strafrechtlich auffällig geworden ist, mit einem Maximaldelikt anfängt. Oft ist es so, dass man sich an solch extreme Fälle herantastet, dass man mit kleineren Delikten anfängt. Aber es kann sein, dass schon viel vorgefallen ist, das nicht unbedingt einen Eintrag ins Strafregister findet.
Was meinen Sie damit?
Da kann viel in der Jugend passiert sein, er kann auffällig gewesen sein und soziale Verhaltensstörungen an den Tag gelegt haben. Es kommt oft vor, dass bei solchen Profilen in der Jugend Tierquälereien oder Brandstiftungen zu finden sind. Solche Kinder balgen sich nicht harmlos wie andere, sondern üben härtere Gewalt aus, beissen vielleicht auch mal zu oder gebrauchen Waffen.
Der Mann hat sich den Buben ausgesucht, die Familie gefesselt, Carla Schauer zum Geld holen geschickt und dann den Buben sexuell missbraucht und danach alle umgebracht. Was ist das für ein Mensch?
All das zeugt von einer enormen Gefühlskälte. Dass jemand eine kombinierte Triebbefriedigung durchführt – also das sexuelle und das finanzielle Motiv kombiniert – ist selten und zeugt von einer hochgradigen Skrupellosigkeit. Dass er während des Risikos, das er während der Tat eingeht, sich so entspannen kann, um seine sexuellen Triebe zu befriedigen, deutet auf eine psychovegetative Stabilität hin.
Der 33-Jährige hatte weitere ähnliche Taten geplant, er hatte alles schon vorbereitet. Reue zeigte er also keine.
Ich vermute, der Täter fühlt sich enorm selbstsicher, was den Verdacht auf Narzissmus nährt. Es dürfte sich um einen manipulativen und sehr kühl kalkulierenden Charakter handeln.
Die Staatsanwaltschaft hat gesagt, er habe keine psychischen Störungen. Wie kann das sein?
Damit meinten sie, dass der Mann nie in offizieller psychiatrischer Behandlung war, was man schnell abklären kann. Dass er aber auf der Ebene Persönlichkeit Abnormitäten aufweist, dürfte klar sein.
Braucht so ein Täter Alkohol oder Drogen, um eine solche Tat durchzuführen?
Das glaube ich nicht. Das hätte ihn nur behindert und hätte ihn davon abgehalten, ruhig Blut zu bewahren. Ich sehe wenig Anhaltspunkte dafür.
Die Tat ist extrem – haben Sie Vergleichbares schon gehört?
Dass «normale» Einbrecher überrascht wurden und ihren Opfern Schaden zufügen, kommt immer wieder mal vor. Das sind dann aber meist mehrere Täter. Dass sich eine Einzelperson so mächtig fühlt und vier Menschen tötet, ist doch eher ungewöhnlich.

Thomas Knecht ist leitender Arzt der forensischen Psychiatrie am Psychiatrischen Zentrum Appenzell-Ausserrhoden.