Unbeliebte Zuwanderer«Deutsche und Franzosen gelten als gefühlskalt»
Warum ecken Deutsche in der Deutschschweiz und Franzosen in der Romandie an? Professorin Franciska Krings hat Antworten.
Frau Krings, stimmt es, dass Franzosen in der Westschweiz ähnlich ungeliebt sind wie Deutsche in der Deutschschweiz?
Ja, die Wahrnehmung ist tatsächlich eine sehr ähnliche. Wir haben eine Untersuchung in der Deutsch- und Westschweiz gemacht und die Leute gefragt, wie sie die Ausländergruppen wahrnehmen. Dabei hat sich gezeigt, dass Deutsche in der Deutschschweiz als kompetent, aber auch arrogant und gefühlskalt gelten. Genau gleich nimmt der Romand den Franzosen wahr. Vielleicht ist es mit dem Tessin und Italien ähnlich, hier fehlen uns aber noch die Daten.
Haben Sie eine Erklärung für diese Abneigung, die Schweizer gegenüber Zuwanderern aus den Nachbarstaaten hegen?
Die Zuwanderer sind oftmals hochqualifiziert und haben keine Sprachbarrieren zu überwinden. Auf dem Arbeitsmarkt sind sie somit die grösste Konkurrenz. Da man ihnen die Kompetenz nicht absprechen kann, versucht man, ihnen menschliche Defizite wie Gefühlskälte anzuhängen. Das ist in der Psychologie ein vielfach beschriebenes Phänomen. Generell gilt: je ähnlicher die soziale Gruppe, desto grösser das Bedürfnis nach Abgrenzung.
Welche Rolle spielt die verstärkte Zuwanderung aus der EU, die in der Schweiz ein grosses Thema ist?
Die verstärkte Zuwanderung aus Frankreich und Deutschland in den letzten Jahren hat das Gefühl der Bedrohung noch verstärkt. Wenn die Leute in Lausanne oder Zürich ins Spital gehen, und nur französische oder deutsche Ärzte antreffen, verunsichert sie das.
Leiden die Zuwanderer unter diesem kühlen Klima?
Ja. Zumindest konnten wir zeigen, dass diese Einwanderergruppen öfter Opfer von kleinen Gehässigkeiten am Arbeitsplatz werden. Das kann bedeuten, dass man ihnen relevante Infos vorenthält, sie mit einem herablassenden Ton behandelt oder nicht zum Mittagessen mitnimmt. Kurzum: Sie werden ausgeschlossen oder allgemein unprofessionell behandelt.
Viele Deutsche kehren inzwischen heim. Laut Beobachtern wegen der guten Wirtschaftslage im Nachbarland. Welche Rolle spielt die Deutschenfeindlichkeit?
Wir können nur sagen, dass die Fluktuation von Deutschen und auch Franzosen am Arbeitsplatz grösser ist. Ob dies mit dem Bild, das man diesen Einwanderern zuschreibt, zusammenhängt, kann ich nicht sagen. So oder so ist die Situation paradox: Jene Personen, die wegen der kulturellen Nähe und ihrer Sprachkompetenz das perfekte Potenzial hätten, sich schnell zu integrieren, haben in der Schweiz einen unheimlich schweren Stand.

Franciska Krings ist ordentliche Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Lausanne. Sie forscht zu Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Bild: Felix Imhof, UNIL