Kritik an der Führung«Die Armee verliert an Intelligenz»
Nach Pannen und Debakeln kritisieren Armeefreunde, es herrsche Kritikunfähigkeit in der Armeeführung. Diese widerspricht.
Nach Skandalen wie der Sistierung des Flugabwehrsystems «Bodluv» oder dem Sprengstoff-Verlust in einer Aargauer Rekrutenschule sorgen sich Armeefreunde um die Kultur in der Armee. «Die zunehmende Top-Down-Mentalität, wie sie in Militärverwaltung und Armeeführung herrscht, entspricht nicht dem Schweizer Milizsystem und führt dazu, dass die Institution an Intelligenz verliert», schreibt Günter Heuberger vom Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft in der Vereins-Zeitschrift.
In der Armee seien Querdenken und Infragestellen nicht mehr erlaubt, es herrsche ein Anpassungsdruck sowie eine Gebots- und Verbotsmentalität. So gingen sowohl ein qualitativ hochstehendes Berufspersonal als auch die Nutzung des Wissens und der Kompetenzen der Miliz verloren. «Es ist an der Zeit, grossen Verbänden wieder mehr Kreativität zuzugestehen, indem man den öffentlichen Diskurs über die Konzeption der Streitkräfte erlaubt», so Heuberger.
«Früher war Mitdenken erwünscht»
«Früher war zumindest in den Verbänden, in denen ich gedient habe, Mitdenken noch möglich und erwünscht», sagte Heuberger zu 20 Minuten. Der Grund für die Kritikunfähigkeit sei, dass die Miliz weniger wichtig sei. «Hohe Stellen werden zunehmend durch Berufsmilitärs besetzt.»
Eine Möglichkeit, dies zu ändern, sei, in der Militär-Führungsausbildung zivile Teilnehmer zuzulassen, die ihr Know-how einbringen können, wie dies schon teilweise gemacht werde. «Auch mit öffentlichen Auftritten wie bei «Thun Meets Army» kann man den Diskurs mit der Bevölkerung pflegen.
Bodluv-Debakel hätte man verhindern können
Ins gleiche Horn stösst die Milizorganisation «Giardino»: «Diese Kritik deckt sich mit unseren Beobachtungen», sagt Sprecher Markus Müller. So hätte laut Müller die Bodluv-Sistierung verhindert werden können, wenn kritische Stimmen in der Armee Gehör gefunden hätten und die Mängel des Projekts nicht erst an die Öffentlichkeit hätten tragen müssen. «Vor der Armeereform XXI gab es zahlreiche Milizkommissionen, in denen kritisch diskutiert werden konnte, diese wurden leider vielfach abgeschafft.»
Die Armeeführung bestätige so den Eindruck vieler, dass man in der Armee nur folgen und nicht denken müsse. «Diese Haltung bestraft leider jene Armeeangehörigen, die mit Herzblut ihre Funktion wahrnehmen. Diese verfolgen die Entwicklungen genau und könnten wertvolle Vorschläge einbringen.» So seien kritische Anmerkungen der Gruppe Giardino zur Weiterentwicklung der Armee zwar entgegengenommen, aber nicht weiter bearbeitet worden.
«Es wird ein Miliz-Anteil von 50 Prozent angestrebt»
Dagegen nimmt SVP-Nationalrat und Oberst Werner Salzmann die Armee in Schutz: «Meiner Erfahrung nach wird den Milizoffizieren nach wie vor eine hohe Bedeutung zugemessen.» Gemäss der neuen Verordnung über die Strukturen der Armee soll auch in Zukunft einem genügenden Anteil von Milizoffizieren auf höheren Kommandostufen Rechnung getragen werden. «Generell sollte ein Miliz-Anteil von 50 Prozent angestrebt werden.» Das VBS habe ihm auf Anfrage bestätigt, dass in der Führungsetage der Armee schon jetzt ein «ausgeglichenes Verhältnis» bestehe und mit der WEA bestehen bleibe.
Bei der Armee will man die Kritik nicht detailliert kommentieren. «Aus unserer Sicht treffen diese Unterstellungen nicht zu», sagt Armeesprecher Daniel Reist. Der Chef der Armee halte grosse Stücke auf die Miliz, das Know-how und die Gedanken, die Milizangehörige der Armee täglich in die Armee einfliessen lassen würden. «Der Chef der Armee pflegt auch regelmässigen und engen Kontakt mit den verschiedenen Milizorganisationen und bezieht sie ein.»