Zugunglück in Daillens VD«Die Dämpfe waren schlimmer als Tränengas»
Bei der Bergung der verunglückten Güterzüge sei die Sicherheit zu kurz gekommen, sagt ein Arbeiter. Die Polizei will hingegen alles Nötige unternommen haben.
«Als wir am Montag an die Unfallstelle kamen, arbeiteten wir zunächst ohne jeden Schutz», sagt Remo G.* Der an den Aufräumarbeiten beteiligte Arbeiter erhebt schwere Vorwürfe an die Verantwortlichen vor Ort. Es sei alles total chaotisch und die Schutzmassnahmen anfangs minim gewesen. Man habe mehrere Stunden so gearbeitet und sei in der Nähe der verunglückten Wagen ohne Schutzanzug und Atemmaske herumgelaufen.
«Plötzlich mussten alle Schutzanzüge anziehen»
Es seien zahlreiche Arbeiter vor Ort gewesen, bei denen ebenfalls keine Schutzvorkehrungen getroffen worden seien. «Nur die Feuerwehrleute direkt bei den Waggons waren richtig angezogen.» G. beschreibt die Situation als unerträglich und extrem gefährlich. «Der Geruch von chemischen Dämpfen war richtig grob, schlimmer als eine Wolke Tränengas, mir wurde kotzübel.»
Erst nach mehreren Stunden habe es einen Aufruhr gegeben und alle hätten in die medizinische Kontrolle gemusst. Darauf seien mehrere Arbeiter ins Spital geschickt worden. Alle anderen hätten Schutzanzüge und Atemmasken anziehen müssen.
Keine Spezialisten vor Ort
Trotz diesen ersten Vorkehrungen seien die Arbeiten insgesamt immer noch völlig chaotisch abgelaufen. Es habe geheissen, Spezialisten von der SBB kämen, um bei der Bergung zu helfen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.
So habe eine Bergungsfirma unwissentlich einen Zisternenwagen wieder auf die Gleise gestellt, der immer noch rund 2000 Liter Salzsäure enthielt und offen war. «Wäre da etwas schiefgelaufen, hätte das für viele böse enden können.»
«Die Sicherheitsperimeter wurden laufend verschoben»
Die Waadtländer Polizei bestätigt, dass die Arbeiter am Montagabend anfangs ohne Atemschutz am Unfallort in Daillens waren. «Wir hatten die Unfallstelle in verschiedene Perimeter eingeteilt – solche, in denen Atemschutz getragen werden muss, und solche ohne», sagt Mediensprecher Philippe Jaton. Im Lauf des Montagabends hätten diese Sicherheitsperimeter laufend verschoben werden müssen. «Einerseits regnete es und die Flüssigkeit verstärkte die Dämpfe, andererseits wurden Wagen und Erde bewegt und dadurch weitere Dämpfe freigesetzt.»
Darauf habe man die Perimeter vergrössert, in denen mit Atemschutz gearbeitet werden musste. Zudem habe man zwölf Personen zur Kontrolle zu den Sanitätern geschickt. «Sechs davon wurden zur Sicherheit ins Spital gebracht.» Einige seien danach aber wieder zur Unfallstelle zurückgekommen, um zu arbeiten. Jaton betont: «Wir haben alles Nötige unternommen, um die Sicherheit der Arbeiter zu gewährleisten, und haben die Massnahmen ständig angepasst.»
*Name geändert