«Die Integration der Albaner ist ein Erfolg»

Aktualisiert

Party statt Prügel«Die Integration der Albaner ist ein Erfolg»

Nach dem 1:0 für die Schweiz feierten Schweizer und Albaner gemeinsam eine friedliche Party. Ein Zeichen geglückter Integration, sagen Experten.

von
D. Pomper
Wer am Samstag durch die Zürcher Langstrasse spazierte, in der sich Hunderte Schweizer und albanische Fussballfans eingefunden hatten, fiel nach dem Schlusspfiff vor allem eines auf: die friedliche Stimmung.
Schweizer in Feierlaune rissen Albaner mit: «Rot ist rot», sagte ein Fan zu 20 Minuten. Ob Rot-Schwarz oder Rot-Weiss - das sei doch egal. «Wir feiern alle miteinander.»
Ardit Nasufi und seine Kollegen aus Bümpliz waren am Samstag einfach happy: «Als Schweiz-Albaner gewinne ich heute sowieso», sagte er vor dem Match.
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Wer am Samstag durch die Zürcher Langstrasse spazierte, in der sich Hunderte Schweizer und albanische Fussballfans eingefunden hatten, fiel nach dem Schlusspfiff vor allem eines auf: die friedliche Stimmung.

Keystone/Ennio Leanza

Wer am Samstag durch die Zürcher Langstrasse spazierte, in der sich Hunderte Schweizer und albanische Fussballfans eingefunden hatten, fiel nach dem Schlusspfiff vor allem eines auf: die friedliche Stimmung. Obwohl die albanische Mannschaft der Schweiz 1:0 unterlegen war, tat sich zwischen den beiden Lagern kein Graben auf. Im Gegenteil.

Schweizer in Feierlaune rissen Albaner mit: «Rot ist rot», sagte ein Fan zu 20 Minuten. Ob Rot-Schwarz oder Rot-Weiss – das sei doch egal. «Wir feiern alle miteinander.» Viele Albaner waren zwar enttäuscht, feierten aber trotzdem: «Eigentlich haben wir ja auch gewonnen, wir sind ja auch Schweizer», sagte ein eingebürgerter Kosovo-Albaner. Fan Ardit Nasufi sagte schon vor dem Anpfiff: «Als Schweiz-Albaner gewinne ich heute sowieso.»

Auch die Zürcher Stadtpolizei bestätigt, dass es ein «friedlicher Anlass» gewesen sei. Es habe nur wenige Verzeigungen gegen hupende und Fahnen schwingende Fans gegeben. Zu Schlägereien sei es nicht gekommen.

«Das Machogehabe ging Schweizern auf die Nerven»

«Es ist möglich, mehrere Heimaten zu haben und trotzdem integriert zu sein. Das hat sich am Samstag eindrücklich gezeigt», resümiert die albanisch-stämmige Luzerner Kantonsrätin Ylfete Fanaj (SP). «Die soziale und berufliche Integration der jungen Albaner verläuft viel besser, als viele meinen», sagt der Basler Stadtentwickler und Integrationsexperte Thomas Kessler. «Die sogenannten Flegeljahre um 2000 sind vorbei.» Damals seien viele Familien ohne Vorbereitung aus einem armen Kriegsland in die Schweiz geflüchtet. Junge Albaner hätten damals Mühe in der Schule gehabt, sich zusammengeschlossen und ihre Schwäche mit Machogehabe kompensiert. «Das ging den jungen Schweizern auf die Nerven.»

Doch dank des dualen Bildungssystems und der angebotenen Chancen sei die Integration der Albaner geglückt. «Sie sind dafür dankbar und gelten inzwischen sogar als die besseren Schweizer: im Militär sind sie überdurchschnittlich motiviert, sie halten Sportvereine am Leben, der albanische Hauswart klopft den Mietern bei Unordnung auf die Finger. Und vereinzelt gelingt nun auch der Aufstieg in die Akademikerkreise», sagt Kessler. Schweizer anerkannten diese Leistung und würden sich dadurch nicht konkurrenziert fühlen: «Wir haben hochmotivierte Secondos, die aufsteigen wollen und sich Nischen suchen», so Kessler.

«Ihr Jugos werdet hier nie ankommen»

«Der Match Albanien gegen die Schweiz hat bewiesen, dass die Integration der Albaner, wie vorher auch der Kroaten, Serben oder Bosnier, hierzulande ein Erfolg ist. Da ist kaum mehr etwas negativ Aggressives spürbar», findet auch der Zürcher Jugendbeauftragte Ivica Petrusic.

Er erinnert sich an Fussballspiele vor über zehn Jahren zwischen der Schweiz und Serbien, Kroatien oder der Türkei: «An den Public Viewings, die ich als Jugendarbeiter damals begleitete, war eine grosse Anspannung zwischen den Nationen spürbar.» Viele Familien seien damals noch nicht richtig in der Schweiz angekommen gewesen. «Man war noch verunsichert, viele reagierten mit Aggression und Gewalt», sagt der gebürtige Bosnier. So habe es damals geheissen: «Ihr Jugos werdet hier nie ankommen.»

Doch genau dies sei nun passiert. «Viele Jugendliche aus der Region des ehemaligen Jugoslawiens haben zwar immer noch eine starke emotionale Bindung zu ihrem Herkunftsland. Aber sie fühlen sich auch als Schweizer.» Grund für diesen Wandel sei vor allem der Schweizer Arbeitsmarkt: «Hier gibt es nach wie vor genug Arbeitsstellen, auch für weniger gut qualifiziertes Personal», sagt Petrusic. Und in der Schweiz gebe es keine Ausländerghettos: «Man wächst in einer durchmischten Kultur auf.» Und auch Schweizer hätten inzwischen eine entspannte Beziehung zu Albanern und anderen Jugendlichen aus der Balkanregion entwickelt: «Schweizer und Albaner können auf eine lockere Art und Weise Witze übereinander machen – ohne Gefahr zu laufen, dass das in einer Schlägerei endet.»

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