«Die Schüler sind ihren Lehrern weit voraus»

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IT-Kenntnisse«Die Schüler sind ihren Lehrern weit voraus»

Tablets statt Bücher, Roboter als Lernassistenten: Experten fordern eine Digitalisierung der Bildung.

von
A. Schawalder / D.Pomper
Wie das Klassenzimmer digitalisiert  werden könnte, diskutieren am Freitag, 5. Mai 2017, rund 200 Schulleiter und Lehrer im Hauptsitz von Microsoft Schweiz . «Die Digitalisierung des Schulzimmers ist dringend notwendig», sagt Marc Weder, Leiter für Bildung bei Microsoft Schweiz. Hierzulande gebe es bei der Digitalisierung grossen Aufholbedarf.
«Einige Schulen haben sich zwar Tablets angeschafft. Doch es fehlt ein Anwendungskonzept. Die Lehrer wissen nicht, was sie damit machen sollen», sagt Marc Weder von Microsoft Schweiz. Dabei müssten bereits Primarschüler auf Kurs gebracht werden
Die Bildungskommission will den Wandel vorantreiben und hat eine Motion eingereicht. «Die Schweiz verfügt über eines der besten Bildungssysteme der Welt. Wenn wir das bleiben wollen, müssen wir bei der Digitalisierung einen Effort leisten. Nichts tun ist verantwortungslos», warnt SP-Nationalrat Matthias Aebischer.
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Wie das Klassenzimmer digitalisiert werden könnte, diskutieren am Freitag, 5. Mai 2017, rund 200 Schulleiter und Lehrer im Hauptsitz von Microsoft Schweiz . «Die Digitalisierung des Schulzimmers ist dringend notwendig», sagt Marc Weder, Leiter für Bildung bei Microsoft Schweiz. Hierzulande gebe es bei der Digitalisierung grossen Aufholbedarf.

AP/Elaine Thompson

«Die Schweiz muss die Menschen in die digitale Welt integrieren, damit sie nicht zu Verlierern werden», sagte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann am Donnerstag bei der Eröffnung des St.-Gallen-Symposiums. Es brauche mehr Engagement – auch für die Ausbildung.

Wie dieses Ziel erreicht werden könnte, diskutieren am Freitag rund 200 Schulleiter und Lehrer im Hauptsitz von Microsoft Schweiz in Wallisellen ZH. «Die Digitalisierung des Schulzimmers ist dringend notwendig», sagt Marc Weder, Leiter für Bildung bei Microsoft Schweiz. In der Schweiz gebe es bei der Digitalisierung grossen Aufholbedarf (siehe Box). «Einige Schulen haben sich zwar Tablets angeschafft, doch es fehlt ein Anwendungskonzept. Die Lehrer brauchen hier Unterstützung, um die digitale Schule methodisch umzusetzen»», sagt Weder.

Programmieren bereits im jungen Alter

Dabei müssten bereits Primarschüler auf Kurs gebracht werden: «Simple Programmierungen, etwa mittels des Computerspiels ‹Minecraft›, kann auch jungen Schüler zugetraut werden.» Dank der Digitalisierung im Schulzimmer könne zudem der Unterricht mittels individueller Lernprogrammen besser auf jeden einzelnen Schüler angepasst werden. Auch Medienkompetenz sei wichtig. Ein Schüler solle nicht nur wissen, wie man ein Foto auf Instagram hochlade, er solle auch verstehen, was die Folgen sein könnten.

Auch die Bildungskommission will den Wandel vorantreiben. Sie hat letzte Woche eine Motion eingereicht. Darin wird der Bundesrat beauftragt, gemeinsam mit den Kantonen eine Informatik-Offensive im Volksschulbereich und auf der Sekundarstufe II für Lehrpersonen und Schüler zu starten. «Die Schweiz verfügt über eines der besten Bildungssysteme der Welt. Wenn wir das bleiben wollen, müssen wir bei der Digitalisierung einen Effort leisten. Nichts zu tun, ist verantwortungslos», warnt SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Die Schweiz müsse jetzt handeln. «Der Bund muss die Kantone bei diesem Prozess finanziell unterstützen.»

«Rechnen und Schreiben sind wichtiger»

Mauro Tuena, SVP-Nationalrat und Inhaber einer Computerfirma, hat die Ablehnung der Motion beantragt. «Die Schüler müssen zuerst rechnen, lesen und schreiben lernen.» Es sei nicht Aufgabe der Primarschule, den Kindern beizubringen, wie man mit dem iPad fotografiere. Ausserdem müsse man in den meisten Berufen gar nicht programmieren können.

Tuena befürchtet auch einen «massiven Kostenanstieg» im Bildungswesen. Neues Lernmaterial müsse gestellt und Lehrer müssten neu ausgebildet werden. Die meisten Lehrer verfügten gar nicht über das IT-Wissen und wären im digitalisierten Schulzimmer völlig überfordert. «Die technologischen Umwälzungen gehen rasant vonstatten. Lehrer müssten alle sechs Monate in einen teuren Informatikkurs.» Ausserdem seien die meisten Schüler ihren Lehrern im technologischen Wissen weit voraus.

«Schüler kennen sich nicht besser aus als Lehrer»

Giovanni Groppo, Fachgruppenleiter beim Verband Swiss ICT, nimmt die Lehrer in Schutz: «Zwar sind die Schüler ihren Lehrern weit voraus. Manch ein Achtjähriger kennt sich bei der Anwendung neuer Technologien besser aus als ihre Lehrer.» Aber: Die ältere Generation könne den Jungen trotzdem viel beibringen. «Gerade beim bewussten Umgang und Verständnis der Technologie können die Jungen viel lernen. Die Lehrer müssten aber auch entsprechend geschult werden.

Lilo Lätzsch, Präsidentin des Zürcher Lehrerverbandes, stimmt einigen Kritikpunkten zu: «Mit der Digitalisierung Schritt zu halten, ist schwierig.» Gerade was Computer oder Tablets angehe, müssten gewisse Schulen stark aufrüsten. Sie stellt aber klar: «Viele der Probleme wurden erkannt und man arbeitet daran, die Situation zu verbessern.»

In einem Punkt muss sie aber widersprechen: «Schüler kennen sich nicht besser aus als Lehrer.» Die absoluten Grundlagen seien den meisten zwar schon vertraut, etwa wie man einen Text schreibe, aber alles, was darüber hinausgehe, überfordere viele. «Schüler wissen teilweise nicht, was ein Tabulator ist», erzählt die Informatiklehrerin.

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