«Lies»-Verbot«Die Schweiz handelt grob fahrlässig»
Nachdem Deutschland die Koran-Verteilaktion «Lies» verboten hat, wird die Schweizer Politik aktiv. Der Kanton Zürich prüft Massnahmen.
Während Deutschland den Verein «Die wahre Religion» mit seiner Koran-Verteilaktion «Lies» verboten hat, erteilen Schweizer Städte weiterhin Bewilligungen für Standaktionen.
In Winterthur etwa heisst es, es gebe keine rechtliche Grundlage, um das Missionieren der Vereinigung zu unterbinden – auch wegen der Religionsfreiheit.
Keine Sympathie für Verteilaktion
Nun kommt auch in der Schweiz Bewegung in die Debatte. Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP) sagt auf Anfrage von 20 Minuten, er habe «überhaupt keine Sympathie für die Verteilaktionen». Die rechtlichen Möglichkeiten, sie einzuschränken, seien aber unklar.
«Ich habe darum ein externes Gutachten in Auftrag geben lassen. Dieses soll aufzeigen, welche Einschränkungen möglich sind oder unter welchen Umständen sogar ein Verbot angezeigt wäre. Wir wollen alle Organisationen, die eine Nähe zum Jihadismus und zu gewaltverherrlichenden Phantasien haben, aus dem Verkehr ziehen.»
Abgesehen von strafrechtlichen Überlegungen geschehe dies auch zu Gunsten des religiösen Friedens mit den 400 000 Muslimen, die in der Schweiz grösstmehrheitlich ein normales und anständiges Leben führten.
Vorstoss auf Bundesebene
Auch SVP-Nationalrat Lukas Reimann will nach den neusten Entwicklungen wieder aktiv werden. Die Schweiz handle grob fahrlässig, wenn sie nicht genug hinschaue. «Deutschland greift knallhart durch, Österreich verbietet die Finanzierung muslimischer Vereine und Moscheen aus dem Ausland. Nur die Schweiz lässt die Aktion gewähren», kritisiert Reimann.
In der Wintersession will er nun vom Bundesrat wissen, ob der «Lies» zu verbieten gedenke. Wichtig sei, dass man bei einem Verbot auch sicherstelle, dass die Anhänger nicht einfach im Untergrund weitermachten, sondern auch des Landes verwiesen würden. In der Pflicht sieht Reimann aber auch die Städte: «Sie können Bewilligungen für Standaktionen verweigern.»
«Es braucht eine schwerwiegende Gefährdung der Sicherheit»
Bedenken gegenüber einem Verbot hat der Staatsrechtsprofessor Markus Schefer: «Nur weil ein paar Mitglieder dieser Organisation nach Syrien gereist sind und sich dem IS angeschlossen haben, kann man nicht die ganze Organisation verbieten. Es braucht eine schwerwiegende Gefährdung der Sicherheit», sagt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
In der Schweiz sei es nicht verboten, den Koran zu verteilen. «Nur weil einem etwas nicht passt, kann man es nicht einfach unterbinden.» In Deutschland könne man dagegen davon ausgehen, dass es konkrete Hinweise auf eine Gefährdung gebe. Denn in der Regel sei das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend, wenn es darum gehe, Organisationen zu verbieten.