«Die Schweiz ist nicht mehr das sicherste Land»

Aktualisiert

Einbruchstourismus«Die Schweiz ist nicht mehr das sicherste Land»

Der Kriminaltourismus ist im letzten Jahr angestiegen. Experten fordern deshalb, dass man ertappte Täter länger festhalten darf – Politiker verlangen eine stärkere Grenzwache.

Camilla Alabor
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Camilla Alabor

Die Anzahl Krimineller aus dem Ausland, die für ihre Verbrechen in die Schweiz reisen, hat zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Kriminaltourismus um 8,7 Prozent oder 1266 mutmassliche Täter angestiegen. Besonders oft brechen die Kriminaltouristen in Häuser ein oder begehen Diebstähle, wie die Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Insgesamt beläuft sich die Anzahl beschuldigter und nicht in der Schweiz ansässiger Ausländer auf 15'847, worunter allerdings nicht nur Kriminaltouristen fallen.

Laut Hans-Jürg Käser, Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren, kommen die in der Deutschschweiz tätigen Kriminaltouristen meist aus Osteuropa. Und obwohl die Anzahl Einbrüche gesamtschweizerisch zurückgegangen sei, habe sie im Mittelland entlang der Autobahnen zugenommen. «Das liegt daran, dass die Kriminaltouristen schnell ins Land kommen und dieses auch schnell wieder verlassen wollen», sagt Käser. Weitere betroffene Regionen sind laut dem Schweizer Polizeiverband die Grenzkantone zu Italien und Frankreich.

Weniger Polizisten pro Einwohner

Einen Grund, warum der Kriminaltourismus weiter zunahm, sieht Käser darin, dass die wohlhabende Schweiz für die Kriminellen ein «Schlaraffenland» sei. Auf der anderen Seite sei das Risiko, erwischt zu werden, relativ klein: Die Polizistendichte in der Schweiz sei um einiges tiefer als in anderen Ländern.

Für Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizer Polizeibeamter, ist klar: «Im Kampf gegen die Kriminalität gehört die Schweiz schon lange nicht mehr zu den sichersten Ländern.» Seiner Meinung nach hat das Freizügigkeitsabkommen seinen Teil zum Kriminaltourismus beigetragen: «Mit Schengen hätte man auch mehr Begleitmassnahmen, sprich mehr Personal, finanzieren müssen.» Das sei aber nicht in genügendem Ausmass geschehen,«jetzt erhalten wir die Rechnung».

Haft statt laufen lassen

Sowohl Käser als auch Hofmann sprechen sich deshalb für ein härteres Durchgreifen aus. Künftig solle es möglich sein, ertappte Täter für länger als lediglich 24 Stunden einzusperren. Damit liessen sich Wiederholungstaten verhindern. Zudem wirke ein solches Durchgreifen auf potenzielle Täter abschreckend.

Laut Käser würden auch mehr Verkehrsgrosskontrollen helfen, die Täter ausfindig zu machen. Daneben fordert er mehr Mittel für die Polizei: «Wenn die Kantone wie jetzt sparen, sind Aufstockungen bei der Polizei sehr schwierig.» Gerade in Grenzregionen sei aber mehr Personal nötig, ergänzt Hofmann.

Politiker sind sich für einmal einig

Politiker von links bis rechts sehen das ähnlich. So möchte SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé mehr Grenzwächter und Polizisten einstellen. Und auch SVP-Nationalrat Thomas Hurter verlangt neben einer härteren Gangart nach mehr Grenzwächtern.

In dieselbe Richtung zielt ein soeben eingereichter Vorstoss von FDP-Nationalrat Walter Müller. Der St. Galler weist auf den gestiegenen Kriminaltourismus in seinem Heimatkanton hin und warnt vor einer «inakzeptablen Vernachlässigung der Ostschweiz». Er fordert deshalb, in der Ostschweiz mehr Grenzwächter einzustellen, ohne aber die anderen Regionen zu vernachlässigen.

Weniger Straftaten von Asylbewerbern

Während der Kriminaltourismus zugenommen hat, ist bei den Asylbewerbern die Anzahl Beschuldigter im letzten Jahr massiv zurück gegangen, und zwar um 22,9 Prozent oder 1348 Personen. Das Total der Beschuldigten Asylbewerber belief sich auf 4527 Personen.

Den Rückgang bei den kriminellen Asylbewerbern hat auch der Aargauer Polizeisprecher, Roland Pfister, beobachtet: «Bis zum letzten Sommer kam ein grosser Teil der Täter aus dem Maghreb. Seither hat hingegen die Anzahl Kriminaltouristen aus Osteuropa zugenommen.»

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