Steigende Kriminalität«Die brutale Gewalt bereitet mir Sorgen»
Der Vizepräsident der Polizeidirektorenkonferenz Beat Villiger erklärt, warum es im Jahr 2012 mehr Gewaltstraftaten und Diebstähle gab und welches die künftigen Herausforderungen für die Polizei sein werden.

CVP-Politiker Beat Villiger ist Vizepräsident der Polizeidirektorenkonferenz.
Die Kriminalität in der Schweiz nimmt zu. Warum?
Beat Villiger: Die Zunahme ist zuerst einmal ein Spiegelbild des Bevölkerungswachstums. Ausserdem müssen wir uns mit sehr gut organisierten Banden aus dem Ostblock herumschlagen – nicht zuletzt, weil die Landesgrenzen durchlässiger geworden sind, seit die Schweiz dem Schengenraum beigetreten ist. Weiter ist die Anzahl krimineller Asylbewerber seit dem arabischen Frühling gestiegen.
In fast allen Bereichen gab es eine Deliktzunahme. Es gab mehr Verstösse gegen das Straf-, Betäubungsmittel- und Ausländergesetz. Welche Entwicklung bereitet Ihnen die grössten Sorgen?
Das ist ganz klar die Zunahme der brutalen Gewalt. Die Leute rasten wegen lapidaren Dingen schneller aus, zücken das Messer und schrecken in Extremsituationen auch nicht davor zurück, jemanden zu erschiessen.
Warum sinkt die Hemmschwelle, schwere Gewaltdelikte zu begehen?
Solche Delikte werden überwiegend von Ausländern begangen. Gewisse Bevölkerungsgruppen reagieren in Krisensituationen temperamentvoll. Oft sind auch Drogen und Alkohol im Spiel. Allgemein kann man sagen, dass viele Menschen einen schlechteren Halt in der anonymisierten Gesellschaft haben. Sie finden keinen Rückhalt in der Familie, bei Freunden, sind nicht in Vereinen oder in der Kirche, die sie in einer Krisensituation auffangen könnten.
Erschreckend ist ja auch die Zunahme von Sexualdelikten. Die sexuelle Integrität wurde 2012 über 5100 Mal verletzt. Es gab mehr Fälle von Exhibitionisten und Pornografie.
Unsere Gesellschaft kommt heute über Internet viel schneller zu pornografischem Inhalt. Über Social Medias werden immer mehr strafbare Inhalte verteilt. Der Anstieg hat aber sicher auch damit zu tun, dass Frauen selbstbewusster auftreten und ein Vergehen schneller verzeigen.
Zugenommen haben auch die Fälle von Diebstahl. Wie kann man sich davor schützen?
Wenn man bedenkt, wie gezielt und professionell kriminelle Banden vorgehen, erstaunt mich die Unbekümmertheit vieler Leute. Unsere Gesellschaft ist einfach zu wenig vorsichtig. Etwas Misstrauen würde ihr gut tun. Wie sagt man so schön: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Wie soll man gegen die wachsende Kriminalität vorgehen?
Ich hoffe, dass durch die Revision des Strafgesetzbuches die Prävention wieder mehr wirkt. Unter anderem sollten die bedingten Geldstrafen abgeschafft und die kurzen Haftstrafen wieder eingeführt werden. Zudem müssten wir auch darüber diskutieren, ob gewisse Formalismen in der Strafprozessordnung abgeschaftt gehören, damit Verfahren schneller und effizienter werden.
Und was können die Bürger gegen die steigende Kriminalität unternehmen?
Sie müssen Zivilcourage an den Tag legen. Sie dürfen nicht die Augen verschliessen, wenn sie etwas sehen, sondern handeln, Nachbarn und die Polizei informieren. Nur so kann man Kriminellen schnell das Handwerk legen.
Die Kriminalstatistik vermeldet ja auch Erfreuliches: Minderjährige waren im Vergleich zum Vorjahr weniger kriminell. Wird die Jugend jetzt brav?
Ich denke, diese Nachricht kann man folgendermassen erklären: Die Präventionsmassnahmen in den Schulen haben gewirkt. Die Jungen haben verstanden, dass es für ihre Zukunft nicht gerade förderlich ist, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ausserdem haben viele Jugendanwaltschaften ihren Kurs verschärft. Sie handeln schneller und sprechen härtere Strafen aus.
Auffallend ist, dass in der Westschweiz mehr Delikte verübt werden als in der Deutschschweiz. Warum?
Die Deutschschweiz handhabt die Ausländerhaft aus meiner Sicht strikter als die Westschweiz – aus dem einfachen Grund, weil in Städten wie Genf oder Lausanne die Gefängnisse oft überfüllt sind. Dazu kommen Kriminaltouristen aus Frankreich. Grundsätzlich ist die Kriminalitätsrate in Städten höher als in ländlichen Gebieten, da die soziale Kontrolle geringer ist.
Welches werden die grössten Herausforderungen für die Polizei in den nächsten Jahren sein?
Der Cyber Crime dürfte weiter zunehmen. Diebe werden technisch immer versierter. Zudem stellt der soziale Unterschied auf der ganzen Welt, aber auch innerhalb Europas eine Herausforderung für uns dar. Denn will jemand etwas holen, dann geht er dahin, wo es auch etwas zu holen gibt.
Beat Villiger ist Zuger Sicherheitsdirektor und Vizepräsident der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). In dieser Funktion will er unter anderem Asylverfahren beschleunigen und die Rückführungsmöglichkeiten nach definitiven Ablehnungsendscheiden verbessern.