Dissertationen-StreitMörgeli disst «Rundschau» – SRF kontert
Christoph Mörgeli beschuldigt die «Rundschau», gegen die publizistischen Leitlinien verstossen zu haben - Beweise dafür kann er aber nicht vorlegen. SRF kontert die Vorwürfe.
Christoph Mörgeli will bei der SRG-Ombudsstelle Beschwerden gegen drei SRF-Sendungen einreichen, wie er am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Zürich sagte. Der Sender habe gegen die publizistischen Leitlinien verstossen. Der Zürcher SVP-Nationalrat und Medizinhistoriker fühlt sich als Opfer einer Rufmord-Kampagne der TV-Sendung «Rundschau».
Der «Rundschau«-Beitrag vom 27. März 2013 über seine Arbeit als Doktorvater habe «66 sachlich inhaltliche Fehlaussagen» enthalten, sagte Mörgeli. Er beschwert sich bei der Ombudsstelle auch wegen einer «10vor10»-Sendung und einem «Rundschau»-Beitrag vom 3. April zum selben Thema.
Kronzeuge soll keinen Doktortitel haben
Gemäss der «Rundschau» waren bei rund einem Dutzend von Mörgeli betreuten Doktorarbeiten zum Dr. med. vorwiegend historische Texte abgeschrieben worden. Ein anonym zitierter Zeuge, der in der Sendung Vorwürfe erhoben hatte, habe gar keine Doktorarbeit bei ihm eingereicht, also auch keinen Doktortitel für blosses Transkribieren eines alten Textes erhalten, sagte Mörgeli weiter. Beweise konnte er dafür vor den Medien aber keine vorlegen.
In einem zweiten Fall habe eine Doktorandin nicht einfach einen Text aus dem Bulgarischen übersetzt, sondern ihn zuerst auf bulgarisch geschrieben und dann übersetzt. Über die beiden «Kronzeugen» berichtete auch die «Weltwoche» in ihrer aktuellen Ausgabe.
Die «Rundschau» hält in einer Mitteilung fest, beim Doktoranden, über den Mörgeli und «Weltwoche» berichteten, handle es nicht um jenen Arzt, der in der Fernsehsendung ausgesagt hatte. Und die zweite Zeugin sei korrekt zitiert worden.
Als Wissenschaftler unglaubwürdig machen
Mörgeli wirft der «Rundschau» vor, sie habe versucht, ihn als Wissenschaftler in rufmörderischer Weise anzuzweifeln und unglaubwürdig zu machen. Zu unrecht sei suggeriert worden, er habe über Betrügereien eines schliesslich gescheiterten Doktoranden «haargenau» Bescheid gewusst.
Im 14-minütigen Beitrag sei keine Gegenposition enthalten gewesen, kritisierte Mörgeli weiter. Und er, der auf dem «heissen Stuhl» in live Stellung nehmen konnte, sei vor der Sendung nur rudimentär über die Vorwürfe informiert worden. Nach Ansicht von Mörgeli ist mit dem «Rundschau»-Beitrag die SRG-Programmcharta «in sträflicher Weise mit Füssen getreten worden».
Mörgeli zieht neben den Beschwerden bei der Ombudsstelle auch zivil- oder strafrechtliche Schritte gegen SRF in Betracht. «Das sind Dinge, die wir anschauen müssen», so seine Antwort auf eine entsprechende Frage.
Bereits andere Beschwerden gegen «Rundschau«-Beitrag
Bei der SRG-Ombudsstelle Deutschschweiz sind gemäss Ombudsmann Achille Casanova Mörgelis Beschwerden bis am Donnerstag noch nicht eingetroffen, jedoch vier andere Reklamationen, die sich gegen den «Rundschau»-Beitrag richten. Wenn die Ombudsstelle Beanstandungen für begründet hält, reicht sie sie an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weiter.
In die UBI hat Mörgeli allerdings wenig Vertrauen. Deren Präsident Roger Blum habe nämlich kurz nach der «Rundschau»-Sendung getwittert, im Vergleich zu den von Mörgeli betreuten Dissertationen sei der «Fall Schavan» ein Klacks. Annette Schavan hatte als deutsche Bildungsministerin wegen des Vorwurfs, in ihrer Promotionsarbeit vorsätzlich getäuscht zu haben, zurücktreten müssen.
Blum hat eine Mitteilung von Blick-Online bestätigt, dass er in den Ausstand treten wird, falls die UBI über den Fall Mörgeli zu befinden hat. Die Verknüpfung der beiden Fälle bezeichnet er als «riskant».
Er finde es richtig, dass sich Schavan gegen die Aberkennung ihres Doktortitels durch die Uni Düsseldorf juristisch zur Wehr setzt. Und er hält es auch für angebracht, dass die Universität Zürich klärt, wo für Medizin-Dissertationen allenfalls eine zu tiefe Messlatte angesetzt werde.
Mörgeli sieht sich als Mobbingopfer
Mörgeli rechnete an seiner Pressekonferenz aber nicht nur mit der «Rundschau» ab – auch gegen die Universität Zürich erhob er erneut schwere Vorwürfe. Er sei als Konservator des Medizinhistorischen Museums wegen seiner nicht genehmen politischen Äusserungen gemobbt worden.
Mörgeli wurde im letzten Herbst von der Universität Zürich nach 27 Jahren Tätigkeit per sofort freigestellt und erhielt die Kündigung. Die Universität begründete den Entscheid mit ungenügenden Leistungen Mörgelis als Konservator und Verantwortlicher für die Objektsammlung sowie mit seiner massiven Verletzung der Loyalitätspflicht gegenüber der Universität.
Verfahren wegen Entlassung auf Eis
Mörgeli rekurrierte gegen seine Entlassung und reichte eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli ein. Er sieht sich als Opfer eines politischen Komplotts und beklagt, unter seinem Chef Flurin Condrau systematisch gemobbt worden zu sein. Das entsprechende Verfahren ruhe jedoch im Moment, weil die Ergebnisse einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung abgewartet würden, sagte Christoph Mörgeli heute vor den Medien.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem 19. November 2012 gegen zwei Mitarbeitende des Medizinhistorischen Instituts, weil der Verdacht besteht, sie hätten brisante Dokumente dem «Tages-Anzeiger» zugespielt. Flurin Condrau hat die Institutsleitung vorübergehend abgegeben.
Mörgeli vermutet, dass auch die «Rundschau«-Redaktion Informationen aus dem Institut erhalten hat. Nach der Ausstrahlung des «Rundschau«-Beitrags zu den medizingeschichtlichen Dissertationen kündigte die Universitätsleitung am 28. März 2013 an, sie habe die zuständige Fakultät beauftragt, die in der Sendung erhobenen Behauptungen abzuklären.
Mörgeli erhebt Vorwürfe gegenüber SRF:
Rundschau weist Vorwürfe zurück
Die SRF-Sendung «Rundschau», welche mit ihrem Beitrag das neuste Kapitel in der Causa Mörgeli geschrieben hat, weist die Vorwürfe des SVP-Nationalrats mit Entschiedenheit zurück. Man habe die Zeugen vollumfänglich geschützt. Der Mann, den Mörgeli zusammen mit der Weltwoche ausfindig gemacht haben will, sei nicht der Informant der Weltwoche. Man habe ihn gemäss «den Grundregeln des Fernsehhandwerks» anonymisiert, somit könne er nicht von einer breiteren Öffentlichkeit erkannt werden.
Auch den Vorwurf Mörgelis, er sei nicht rechtzeitig mit den Hauptvorwürfen konfrontiert worden, kontert SRF. Man habe ihn eineinhalb Tage vor der Sendung informiert, zudem habe er in der Live-Sendung auf die Vorwürfe reagieren können. (fum)