Eierproduktion«Die männlichen Küken ersticken qualvoll»
Der Schweizer Tierschutz und der oberste Bauer fordern, dass männliche Küken nicht mehr vergast werden. Die Eierproduzenten halten dagegen.

In der Schweiz werden jährlich 2,3 Millionen männliche Küken getötet. Sie werden nach dem Schlüpfen aussortiert, mit Kohlendioxid betäubt und mit Gas getötet.
Colourbox.comIn der Schweiz werden jährlich 2,4 Millionen männliche Küken getötet. Sie werden nach dem Schlüpfen aussortiert, mit Kohlendioxid betäubt und mit Gas getötet. Denn die männlichen Tiere sind für die Eierwirtschaft naturgemäss nutzlos. Ausserdem eignen sie sich auch nicht für die Fleischproduktion.
In Deutschland will Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) dieser Praxis nun ein Ende bereiten und das Töten männlicher Eintagesküken in drei bis fünf Jahren verbieten. «Diese verwerfliche Praxis kann so nicht weitergehen», sagte er der «Welt am Sonntag». Er bezeichnete das Töten der Eintagesküken als «ethisch-moralisch inakzeptabel» und als eklatanten Verstoss gegen den Tierschutz. Meyer forderte den Bund auf, ein Enddatum vor 2020 rechtsverbindlich ins Tierschutzgesetz zu schreiben, damit sich die Branche darauf einstellen könne.
Befruchtete Eier aussortieren
Hans-Ulrich Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutz STS, schliesst sich dieser Forderung an: «Schweizer Eierproduzenten müssen aufhören, männliche Küken zu vergasen.» Was die Küken während diesem Vorgang genau empfinden würden, wisse man nicht. Aber: «Gewisse Tiere erleiden einen qualvollen Erstickungstod. Man sieht, wie diese Küken verzweifelt nach Luft schnappen, bevor sie einschlafen.» Zudem sei es ethisch schlicht und einfach verwerflich, Küken aus wirtschaftlichen Gründen auszubrüten, um sie danach wegzuwerfen.
Huber plädiert für Alternativmethoden, etwa für Zweitnutzungshühner. Ziel ist eine neue Kreuzungslinie von Hühnern, wobei das Fleisch der Hähne konsumiert werden kann. Coop hat bereits ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet. Der Nachteil: Eier und Fleisch werden teurer, weil diese Nutzungshühner nicht so hochleistungsfähig sind wie Lege- oder Masthühner.
Die zweite Alternative wäre die sogenannte «In ovo»-Methode, dank der statt lebendiger Küken die befruchteten Eier aussortiert würden. Durch ein winziges Loch in der Eierschale können die Unterschiede im DNA-Gehalt zwischen männlichen und weiblichen Embryonen analysiert werden. Wissenschaftler der Universität Leipzig wollen in den nächsten zwei Jahren einen Demonstrator fertigstellen, mit dem eine automatische Geschlechtsbestimmung quasi am Fliessband möglich wäre. «Allerdings könnten sich gerade kleinere Brütereien diese teure Technologie gar nicht leisten», sagt Huber. Es würde die Schweizer Hühnerlandschaft ziemlich stark verändern.
«Sonst müssen Ratten oder Mäuse sterben»
Auch Markus Ritter (CVP), Präsident des Schweizer Bauernverbandes, ist gegen die Tötung männlicher Küken durch Vergasung: «Die Zweitnutzungsrassen sind eine interessante Alternative. Ebenfalls die frühzeitige Geschlechtsbestimmung im Ei.» Die Schweiz sei bekannt für ihren hohen ethischen Standard in der Geflügelhaltung. Diese Vorreiterposition gelte es weiter zu halten. Zwar seien diese Alternativen teurer als die jetzige Lösung. Aber: «Mit einem hohen Tierwohl können wir uns mit unseren Produkten auf dem Markt differenzieren. Ausserdem wäre der Schweizer Konsument auch bereit dazu, für ein tiergerechtes Produkt etwas mehr zu bezahlen.»
Keinen eigenen Handlungsbedarf dagegen sieht man bei Gallosuisse, dem Verband der Eierproduzenten: «Das System sieht die Tötung männlicher Küken mittels CO2 vor. Wir haben keine Alternativen», sagt Geschäftsführer Oswald Burch. Doch halten die Eierproduzenten die Tötung denn auch für ethisch vertretbar? Diese Frage könne Gallosuisse nicht beantworten, sagt Burch. Dies habe jeder selbst zu verantworten. Denn der Verband sei «nicht in der Position, das System zu verändern». Man müsse aber bedenken, dass eine alternative Lösung das Schicksal der Küken einfach verlagern würde: «Aus den 2,3 Millionen männlichen Küken wird zum grossen Teil Tierfutter produziert. Gibt es keine Küken mehr, müssten Mäuse oder Ratten dafür gezüchtet werden.»
Von der Idee der Zweinutzungshühner hält Burch nicht viel: «Die Tiere müsste man mit höherem Futterbedarf füttern. Doch sie würden vergleichsweise weniger Fleisch liefern. Das ist weder ökologisch noch wirtschaftlich effizient.» An der «in ovo»-Methode» sei man interessiert, wobei sich aber auch hier die Frage stelle, wie hoch die Kosten für die Produzenten ausfallen würden. Ohne wirtschaftlich abgestütztes Denken und Handeln geht es nicht.