«Einen schweren Kite-Unfall gabs noch nie»

Aktualisiert

Kein Verbot mehr«Einen schweren Kite-Unfall gabs noch nie»

Der Nationalrat hat entschieden: Kitesurfen soll erlaubt werden. Warum die Sportart zu Unrecht als gefährlich gilt, erklärt Mario Kaufmann von «Pro Kitesurfen» im Interview.

L. Helfenberger/D. Wild
von
L. Helfenberger/D. Wild

Eine Extremsportart, die Schwimmer und Ruderer gefährdet und den Kursschiffen in die Quere kommt - schnell, unberechenbar und gefährlich. Das halten die Gegner der heute vom Nationalrat verabschiedeten Motion vom Wassersport Kitesurfen. Dennoch hat das Parlament zugunsten der Sportler entschieden: Das generelle Verbot soll aufgehoben werden. Die rund 4000 aktiven Kiter freuts - sie konnten bislang nur dank der Kulanz einzelner Kantone in bestimmten Zonen (siehe Bildstrecke) surfen. Mario Kaufmann ist Projektleiter von Pro Kitesurfen Schweiz. Er sagt, warum die Vorurteile gegenüber dem Wassersport längst überholt, die generelle Bewilligung ein fälliger Schritt ist und was sich mit dem Entscheid des Nationalrats ändert.

Mario Kaufmann, wo lässt sichs in der Schweiz am besten Kiten?

Ich fahre oft nach Silvaplana ins Engadin. Dort sind die Windverhältnisse ideal. Am liebsten kite ich aber auf dem Zugersee, meinem «Homespot» - die Nähe zur Stadt ist toll.

Wie gefährlich ist dieser Wassersport?

Kiten ist nicht gefährlicher als andere Sportarten. Die häufigsten Verletzungen sind Zerrungen und Prellungen. Verwicklungen in den Leinen passieren nur bei starkem Wellengang im Meer - das ist in der Schweiz kaum der Fall.

Sind die Kiter für andere Seebenützer eine Gefahr?

Das Material unterliegt strikten Sicherheitsprüfungen und ohne standardisierte Ausbildung geht ohnehin niemand aufs Wasser. Laut einer Umfrage, die wir mit verschiedenen Kantonen gemacht haben, hat es bisher noch keinen einzigen schweren Unfall auf den Schweizer Seen gegeben. Die Gefahren für andere Wassersportler sind sehr klein, denn der Kite bleibt zu jeder Zeit mit dem Kiter verbunden. Zum Kiten braucht es zudem mindestens Windstärke 4, da traut sich kaum ein Schwimmer in den See. Es sind dann nur noch geübte Segler und Windsurfer auf dem Wasser unterwegs. Kursschiffe sind natürlich auch bei stärkerem Wind auf dem See, jedoch sind diese ja kaum zu übersehen.

Was verändert sich durch den Entscheid im Nationalrat?

Die Beweislast wird umgekehrt: Wenn einzelne Kantone keine Kiter auf ihrem See wollen, müssen sie beweisen, dass die Sportler eine konkrete Gefahr darstellen und die übrigen Seebenutzer stören. Bisher mussten immer die Kiter Überzeugungsarbeit bei den Kantonen leisten. Für uns wird es hoffentlich einfacher, durch den Entscheid mehr Bewilligungen zu erhalten. Jetzt müssen wir aber zuerst abwarten, wie die Motion von den zuständigen Stellen umgesetzt wird. Dann werden wir uns wohl weiterhin mit den Kantonen über die Zonen beraten.

Gibt es konkret Zonen, in denen Sie gerne kiten würden, aber bisher nicht durften?

Auf dem Sihlsee ist Kiten verboten - noch. Es wäre toll, wenn hier durch den Entscheid des Nationalrats eine Bewilligung für Sportler erreicht werden könnte. Schliesslich kommen die meisten Kiter aus Zürich - Angebote in der Nähe gibt es bislang keine. Auch beim Urnersee hoffen wir auf eine Lockerung der Einzonung. Dieser Spot ist noch windsicherer als Silvaplana. Bisher hatten wir eine kleine Zone zu Verfügung, die aber nur schwer nutzbar ist.

Wird man in Zukunft auch Kiter auf dem Zürichsee sehen?

Der Zürichsee hat eine eher kleine Priorität, denn die Windbedingungen sind nicht immer ideal. Bei günstigen Wetterlagen wäre Kiten aber natürlich auch auf dem Zürichsee möglich.

Mit diesem Video wirbt Pro Kitesurfing Schweiz für die Sportart:

Die Reaktionen auf die Aufhebung des Verbots

Albert Zopp, Amt für Strassen- und Schiffsverkehr Uri

«Kitesurfen ist gefährlich. Problematisch sind vor allem die 25 Meter langen, messerscharfen Leinen. Es ist schon zu brenzligen Situationen gekommen, jedoch nie zu einem Unfall. Wir hoffen, dass das so bleibt. Bei Föhn ist der Urnersee ein El Dorado für alle Wassersportler. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Einzonung der Kitesurfer gemacht. Unsere Praxis hat sich bewährt und wir sehen keinen Grund, etwas daran zu ändern.»

Christian Stofer, Schweizerischer Ruderverband

«Der Schweizerische Ruderverband unterstützt den Sport. Die Kitesurfer tangieren uns Ruderer nicht, da wir meist auf den welligen Seen nicht mehr rudern können, wenn die Kitesurfer zum Einsatz kommen. Was uns das Leben auf den Schweizer Gewässern zunehmend erschwert ist der Druck des motorisierten Schiffsverkehrs (schnelle Motorboote und Wakeboarder).

Roger Baumann, Verband öffentlicher Verkehr

Der VöV war gegen eine Überweisung der Motion Hess, weil sich die bisherige Regelung bewährt hatte. Eine generelle Bewilligung war deshalb nicht notwendig. Kitesurfer bewegen sich schneller als andere Wassersportler. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein erhebliches Gefahrenpotential.

Deine Meinung zählt