Journalist in Haft«Es war schön und interessant im Knast»
Der deutsche Journalist Philipp Mausshardt will eine Busse aus der Schweiz nicht bezahlen. Also muss er zwei Tage hinter Gitter. Die Fischstäbchen schmeckten ihm nicht aber sonst gefiel es ihm gut.

Die Vollzugsanstalt Bachtel im Zürcher Oberland. Quelle: www.justizvollzug.zh.ch
Eine Geschwindigkeitsbusse von 350 Franken für die etwas zu schnelle Durchfahrt in die Ferien bezahlen? Nein danke, sagt der deutsche «Stern»-Journalist Philipp Mausshardt, als die Rechnung aus der Schweiz in seinen Briefkasten flattert, und geht stattdessen zwei Tage in den Knast. In der Vollzugsanstalt Bachtel im Zürcher Oberland wird er auf Krankheiten gecheckt, hört sich die Geschichten der Mitinsassen an und liest endlich mal ein Buch.
Wie ist es, in der Schweiz zwei Tage hinter schwedischen Gardinen zu verbringen?
Philipp Mausshardt: Es waren interessante und schöne Tage. Ich habe sehr sympathische Leute kennengelernt, die man sonst nicht kennenlernt. Mustafa zum Beispiel, mit dem ich die Zelle teilte. Ein netter junger Mann. Er hat mir das Haus gezeigt. Von Tischfussball bis Fitnessraum gabs da alles. Der Standard ist sehr hoch, nur vom Essen war ich etwas enttäuscht. Die Fischstäbchen waren nicht so gut. Es ist halt dieses nie leckere Gruppenessen. Wobei – das Rindergulasch war sehr zart, mit viel Liebe gekocht.
Hatten Sie irgendeine Vorstellung davon, was Sie im Gefängnis erwartet?
Ich wusste, in welchem Knast ich meine Strafe absitzen muss. Also habe ich mir Fotos im Internet angeguckt und die Hausordnung durchgelesen. Dort steht zum Beispiel drin, dass an die Häftlinge Kondome verteilt werden. Anscheinend nicht nur wegen der Besuchszeiten. Aber das war kein Thema in den zwei Tagen. Ich war vor allem überrascht, dass die Zellen nicht abgeschlossen werden. Das hätte ich nicht gedacht. Nur das Haus ist umzäunt.
Die meisten Häftlinge sassen wegen Drogendelikten, Schulden, Schlägereien. Wie war der Umgang unter den Insassen?
Es gibt eine Art Rangordnung, das durchschaut man schnell. Die Kosovo-Albaner waren die tonangebende Gruppe. Überhaupt nicht aggressiv, aber sehr selbstbewusst, sehr gut organisiert. Es sind hauptsächlich relativ junge Leute. Sie haben Mist gebaut, Fehler gemacht. Weder schämen sie sich noch geben sie mit ihren Geschichten an.
Wurden Sie von den Häftlingen akzeptiert?
Ich wurde sehr herzlich empfangen. Aber sie glaubten mir gar nicht, dass ich nur zwei Tage absitzen muss. Und weil sie gesehen hatten, dass ich mit einem ziemlich grossen Auto vorgefahren war, verstanden sie nicht, wieso ich die 350 Franken nicht bezahlte. Mit der Antwort «Ich habe keine Lust» war dann aber eigentlich alles erklärt.
Waren Sie als Journalist nicht mehr Beobachter als Teilnehmer?
Doch. Aber die Wärter wussten nicht, dass ich Journalist bin. Das Personal hat mich gleich behandelt wie alle anderen: korrekt, ordentlich, nicht besonders freundlich. Und die Häftlinge hätte das wohl gar nicht interessiert. Nur Mustafa wusste es. Er fand das toll und sagte, ich solle doch jetzt öfters über Gefängnisse schreiben.
Der Tagesablauf wird genau strukturiert. Ist das erholsam oder schrecklich?
Das ist schon extrem. Essens- und Arbeitszeiten werden auf die Sekunde eingehalten. Ich wollte den anderen beim Kerzenverkaufen am Weihnachtsmarkt helfen, aber ich durfte nicht, mein Aufenthalt war dafür zu kurz. Ich hätte gern noch mehr Programm gehabt. Klar, man muss sich den Regeln unterwerfen, wird aber umsorgt, das ist sehr schön. Ich habe endlich wieder mal ein Buch gelesen. Es ist ein bisschen wie ins Kloster zu gehen. Doch über längere Zeit ist es wahrscheinlich schrecklich.
Was werden Sie nie vergessen?
Am eindrucksvollsten war die sehr freundliche Aufnahme durch die anderen Gefangenen. Sie nannten mich sofort Bruder, halfen mir, mich im Haus zurechtzufinden und begegneten mir sehr offen. Diese Solidarität hat mich beeindruckt. Mustafa hat mich nachher sogar mal angerufen, er ist jetzt in einem anderen Gefängnis. Ich habe ihm gesagt, er solle sich melden, wenn er draussen sei. Vielleicht sehen wir uns ja wieder.
Nach seinem Aufenthalt im Knast erhält Mausshardt vom Justizministerium Niedersachsen eine Einladung, auch mal ihr Gefängnis zu besuchen. Dort gefällt es ihm aber nicht. Als Nächstes muss er noch eine 12-Stunden-Strafe in Österreich absitzen. Vielleicht erfindet er den Beruf des Gefängnis-Testers. «In die Schweiz würde ich auf jeden Fall gerne wieder kommen. Dann einfach in einen anderen Knast.»