«Glückliche Schweizer Hühner sind ein Märchen»

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Tote Tiere in Geflügelzucht«Glückliche Schweizer Hühner sind ein Märchen»

Tierschützer präsentieren neue Schockbilder aus einer Berner Hühnerfarm. Der betroffene Geflügelproduzent prüft eine Klage wegen Rufschädigung.

von
D. Waldmeier

Erst kürzlich sorgten die Zustände in einer Freiburger Hühnerfarm für rote Köpfe. Nun legt der Verein Tier im Fokus (TIF) nach: Er hat verdeckte Aufnahmen aus einer Hühnerfarm im Berner Seeland ins Netz gestellt, die im November entstanden sind.

Im Video (siehe unten) ist zu sehen, wie Tausende Hühner in einer Halle gehalten werden. Im Mist liegen Überreste toter Tiere, einige Hühner sehen gerupft aus. TIF-Präsident Tobias Sennhauser ist schockiert: «Dass hier Lebewesen leiden, ist offensichtlich. Es gibt Tiere, die unter dem eigenen Gewicht zusammenbrechen und qualvoll verhungern.» Andere würden an Herzfehlern sterben.

«Tiere werden zu Waren gemacht»

Die Todesfälle im Stall zeigten, dass das System krank sei «Wir wollen nicht den Bauern an den Pranger stellen. Die Mortalitätsrate ist eine Folge der Hochleistungszucht, bei der die Hühner innert eines Monats das Schlachtgewicht erreichen müssen.» Die Tiere würden durch die Industrie zur Ware gemacht.

Vor allem legten die Aufnahmen offen, wie sehr Konsumenten getäuscht würden: «Die kleinbäuerliche Landwirtschaft, wie es in der Werbung zelebriert wird, gibt es leider nicht mehr. Glückliche Schweizer Hühner sind ein Märchen.»

Auch wenn der Stall laut Sennhauser keine Ausnahme sei, bestehe der Verdacht auf Tierquälerei. Die stark verwesten Tierleichen deuteten zudem auf eine mangelnde Pflege nach Art. 5 der Tierschutzverordnung hin. Nun soll eine Meldung an den Veterinärdienst und die Kantonspolizei gemacht werden.

«Film ist effekthascherisch und suggestiv»

Der Bauernbetrieb arbeitet im Auftrag des Geflügelproduzenten Frifag. Dieser schreibt auf seiner Website, man lege «grossen Wert auf die besonders tier- und umweltgerechte Geflügelhaltung». So setze man konsequent auf besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme. Laut der Firma wird dies im betroffenen Stall, der Platz für 18'000 Hühner bietet, auch eingehalten.

«Der Film ist effekthascherisch und suggestiv, da mehrmals dieselben toten Tiere aus einer anderen Perspektive gezeigt werden», sagt Geschäftsleiter Andi Schmal. Alle Betriebe würden durch geschulte Techniker regelmässig besucht, beraten und kontrolliert. Sogar ein eigener Bestandes-Tierarzt sei angestellt worden.

Eine «Abgangsrate» von 1 bis 4 Prozent sei leider normal. «Unsere Partnerbetriebe sind angewiesen, tote Tiere im Rahmen der regelmässigen Stallbegehungen – mehrmals pro Tag – zu entfernen.» Schmal kündigt an, dass die internen Kontrollen verschärft würden. Auch der Einsatz von robusteren Rassen sei ein Thema. Der Geflügelproduzent prüft nun seinerseits eine Klage gegen Tier im Fokus wegen Hausfriedensbruch und Rufschädigung.

«Unser Ziel ist eine Welt ohne Schlachthäuser»

Laut dem Berner Kantonstierarzt Reto Wyss wird die Einhaltung der Tierschutzgesetzgebung mindestens alle vier Jahre kontrolliert – zum Teil auch unangemeldet. «Der betroffene Betrieb ist in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen.» Tatsächlich sei in der Tierhaltung ein gewisser Prozentsatz an Verlusten üblich.

Die Aktivisten hoffen, dass den Konsumenten beim Anblick der Schockbilder der Appetit auf Schweizer Güggeli vergeht. Ihr Ziel ist, dass Tiere «nicht mehr als Ressource behandelt werden». Es lohne sich darum, sich etwa Gedanken über Laborfleisch zu machen, sagt TIF-Präsident Sennhauser. «Unser Ziel ist eine Welt ohne Schlachthöfe.»

Das Video aus der Hühnerfarm:

Unschöne Bilder aus einer Schweizer Hühnerfarm.

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