«Haftbefehl war unfreundlicher Akt»

Aktualisiert

Steuerfahnder-Streit«Haftbefehl war unfreundlicher Akt»

Die deutschen Oppositionsparteien SPD und Grüne werten die Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder als Affront. Die Regierung soll nun aktiv werden.

von
fum/aeg
Gemäss den Angaben eines Mitarbeiters der Credit Suisse haben die deutschen Steuerfahnder die Bank «mit Geheimdienstmethoden ausspioniert».

Gemäss den Angaben eines Mitarbeiters der Credit Suisse haben die deutschen Steuerfahnder die Bank «mit Geheimdienstmethoden ausspioniert».

Angesichts der Schweizer Haftbefehle gegen drei Steuerfahnder aus dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen fordern Politiker von SPD und Grünen die deutsche Regierung zum Handeln auf. Bei der Aktion der Schweizer Justizbehörden handele es sich um einen «einmaligen Vorgang und einen unfreundlichen Akt», sagte zum Beispiel SPD-Sprecher Carsten Schneider der Online-Ausgabe des «Handelsblatts» am Wochenende.

Sollte die Aktion seitens der Bundesregierung unwidersprochen bleiben, würde das Rechtsstaats- und Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland infrage gestellt. Er erwarte, dass die Bundesregierung für diese Art des Umgangs zwischen Strafverfolgungsbehörden «klare Worte findet». Auch die Grünen Politiker Gerhard Schick und Thomas Gambke bezeichneten die bisherige Reaktion der deutschen Regierung als unzureichend.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das Vorgehen gegen die Steuerfahnder, die am Kauf einer CD mit Daten deutscher Steuerhinterzieher beteiligt gewesen sein sollen, als nachvollziehbar gewertet. Nach einem Treffen mit EU-Ressortkollegen in Kopenhagen hatte er erklärt: «Die Schweiz hat ihr Strafrecht, und in der Schweiz ist die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Strafe bedroht.» Das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz sei durch die Haftbefehle «gar nicht» betroffen.

«Politisches Manöver»

Dass die Haftbefehle gestern durch deutsche Medien publik wurden, ist laut dem «Sonntag» kein Zufall. Die Bundesanwaltschaft wertet die Veröffentlichung intern als politisches Manöver zum Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bezeichnete das Vorgehen der Bundesanwaltschaft als «Skandal».

Lob bekommt diese dagegen von bürgerlichen Schweizer Politikern. «Super», kommentiert Nationalrat Luzi Stamm (SVP/AG): «Deutschland trat mit seiner Aktion jegliche Prinzipien des Rechtsstaats.» Doris Fiala (FDP/ZH) spricht von einem «feindlichen Akt» der deutschen Behörden und begrüsst das Vorgehen der Bundesanwaltschaft. Thomas Müller (SVP/SG) hält die Spionage für skandalös – «Deutschland hat offenbar die Rechtskultur einer Bananenrepublik».

Selbst die FDP zweifelt an Abkommen

Die neusten Entwicklungen im Steuerstreit mit Deutschland gehen auch am anhaltenden Seilziehen um das Steuerabkommen nicht spurlos vorbei: Selbst die FDP, die politische Erfinderin der Abgeltungssteuer, überlegt sich eine Ablehnung. Die Zustimmung sei «völlig offen», sagt der designierte Parteipräsident Philipp Müller gegenüber der «SonntagsZeitung».

Man fürchte, dass Kapital abfliesse, und der deutsche Finanzminister Schäuble der Opposition weiter entgegenkommen müsse. Ablehnend zeigt sich der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder im «Sonntag»: Die Verhandlungen mit Deutschland müssten vorerst auf Eis gelegt werden. Nur die CVP stellt sich vorbehaltlos hinter das Abkommen. (fum/aeg/dapd)

Oswald Grübel kritisiert das Steuerabkommen mit Deutschland

Nach Ansicht von Ex-UBS-Chef Oswald Grübel wäre es vorteilhaft für den Finanzplatz Schweiz, wenn das Steuerabkommen mit Deutschland scheitern würde: «Ein solches bilaterales Abkommen würde gar nichts bringen, nichts als Ärger», sagt er zum «Sonntag». Aus Schweizer Sicht würde Grübel dem Abkommen nicht zustimmen: «Ich hätte den Deal gar nicht erst ausgehandelt», sagt er: «Das ist der falsche Ansatz, vom Anfang bis zum Ende.» Man hätte sich nie auf bilaterale Verhandlungen einlassen sollen. Der jetzige Zustand sei besser: «Solange kein neuer Vertrag zustande kommt, gilt der alte – so war es schon immer.»

Deutsche Steuergewerkschaft findet den Haftbefehl «grotesk»

Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, hält den Schweizer Haftbefehl gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen für «grotesk.» «Ich betrachte dieses Vorgehen als einen Einschüchterungsversuch gegenüber der deutschen Politik, weil die Schweiz befürchtet, dass das geplante Steuerabkommen scheitert», sagte Eigenthaler der Zeitung «Bild am Sonntag».

Die deutschen Steuerfahnder hätten lediglich ihren gesetzlichen Auftrag ausgeführt. «Es ist grotesk, dass die Schweiz dafür jetzt einen Haftbefehl erlässt», kritisierte Eigenthaler. (ap)

Die Timeline:

2010 Nordrhein-Westfalen kauft für 2,5 Millionen Euro die Daten-CD eines Credit-Suisse-Bankers, der im Dezember 2011 zu zwei Jahren bedingt und einer Geldstrafe verurteilt wurde.

2009 Die britische HSBC-Bank muss einräumen, dass ein ehemaliger IT-Mitarbeiter Hervé Falciani Daten von Schweizer Kunden entwendet und der französischen Regierung zum Kauf angeboten hat.

2004 Rudolf Elmar, ein Manager der Privatbank Julius Bär, gibt Kundendaten einer Tochterfirma auf den Cayman Inseln an Medien und Steuerbehörden weiter. Aufsehen erregt er 2008 und 2011 aber vor allem mit der Weitergabe von Informationen an die Whistleblower-Plattform WikiLeaks

2002 Heinrich Kieber, der bei der Liechtensteiner LGT-Bank für die Digitalisierung des Papier-Archivs zuständig war, versucht seinen Arbeitgeber mit gestohlenen Daten deutscher Kunden zu erpressen. 2006 soll er die Informationen dem deutschen Bundesnachrichtendienst verkauft haben: Die «Liechtensteiner Steueraffäre» belastet das Verhältnis der beiden Staaten erheblich. Nach Kieber, der sich abgesetzt hat, wird bis heute gefahndet.

Deine Meinung zählt