Doppelbürgerschaft abschaffen«Ich würde den türkischen Pass nie abgeben»
SVP-Nationalrat Lukas Reimann will die Doppelbürgerschaft in der Schweiz abschaffen. Für viele Secondos ist das keine Option: Sie wollen Ausländer und Schweizer sein.

Heute können Ausländer in der Schweiz auch den Pass eines anderen Landes besitzen.
Wer den Schweizer Pass will, der soll seine bisherige Staatsbürgerschaft ablegen. Das fordert SVP-Nationalrat Lukas Reimann in einer Motion. Durch eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes möchte er Doppelbürgerschaften künftig einschränken: «Wenn jemand den Schweizer Pass will, dann soll er sich entscheiden», so Reimann. Damit will er sicherstellen, dass nur noch Personen den roten Pass bekommen, die auch wirklich Schweizer sein wollen. «So würde nicht mehr jeder Opportunist eingebürgert werden.»
Reimann geht es mit der Motion laut eigenen Aussagen nicht primär darum, die Zahl der Einbürgerungen zu senken. Vielmehr wolle er etwa Sozialmissbräuchen oder Loyalitätskonflikten vorbeugen.
Die doppelte Staatsangehörigkeit ist in der Schweiz seit 1992 uneingeschränkt möglich. 2012 besassen sie hierzulande mehr als 688'000 Schweizer über 15 Jahren. Andere Länder fahren bezüglich ihrer Einbürgerungspolitik eine härtere Linie. In Russland etwa ist eine uneingeschränkte Doppelbürgerschaft nicht möglich. In Deutschland wird derzeit zwar über eine Lockerung debattiert. Momentan müssen sich ausländische Staatsangehörige jedoch immer noch mit Erreichen der Volljährigkeit für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Schweizer und EU-Bürger sind davon ausgenommen.
«Der Pass ist Teil meiner Identität »
Bei Doppelbürgern in der Schweiz stösst Reimanns Vorschlag auf Unverständnis. «Ich würde den türkischen Pass nie abgeben», sagt Hürü Tat überzeugt. Ansonsten würde sie ihre Wurzeln verleugnen.«Ich habe zwei Identitäten», sagt die Spielgruppenleiterin aus Bern. Sie fühle sich sowohl als Schweizerin als auch als Türkin. Die zweifache Mutter kam vor 25 Jahren als Flüchtling in die Schweiz, 2001 hat sie sich einbürgern lassen. «Ich wollte in der Schweiz nicht länger nur Gast sein», erklärt Tat. Sie hätte sich hier zugehörig gefühlt, wollte politisch mitentscheiden können.
Auch für die 41-jährige Antonia Antonucci wäre es nie in Frage gekommen, den italienischen Pass abzugeben: «Er ist Teil meiner Identität.» Antonucci, die in der Schweiz zur Welt kam, liess sich mit 25 Jahren einbürgern.
«Ich wollte im Ausland studieren und hätte ohne die Einbürgerung meine Niederlassung verloren», sagt die Deutschlehrerin, die sich selbst als Schweizerin sieht. «Trotzdem ist es für mich wichtig, auch in Italien eine politische Stimme zu haben.» Per Post wähle und stimme sie regelmässig – so wie auch in der Schweiz: «Mir ist die Möglichkeit der Doppelbürgerschaft sehr wichtig.»
«Ich bin nur Papierli-Deutsche»
Doch nicht alle fühlen sich mit ihrem Heimatland so stark verbunden wie Hürü Tat und Antonia Antonucci. Die 27-Jährige Rebekka Möller war bis vor drei Jahren noch Deutsche, dann liess sie sich mit ihrer ganzen Familie einbürgern. «Auch ich bin seit Geburt hier in der Schweiz», sagt Möller. Ihr ganzes soziales Umfeld sei hier zu finden. Hätte sich die Verkäuferin also entscheiden müssen, sie hätte den roten Pass gewählt. «Ich bin eigentlich nur eine Papierli-Deutsche.» Ihr Leben spiele sich in der Schweiz ab. «Dieses Leben will ich mitgestalten können – im Notfall auch ohne deutschen Pass.»