Gefährliche Krankheit«Impfgegner sind schuld an Masern-Epidemie»
Ein Kleinkind starb in Berlin an den Folgen einer grassierenden Masern-Welle. Laut Experten ist auch die Schweiz nicht sicher vor einer Epidemie.

Gegen Masern muss man sich zweimal impfen lassen, um eine Wirkung zu erzielen. Um die fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung halten nichts davon.
Ein einenhalbjähriges Kind ist vor zwei Wochen in Berlin an den Folgen von Masern gestorben. Mit der Virusinfektion angesteckt hatte sich der Knabe aufgrund einer seit Oktober grassierenden Masern-Welle, die schon fast 600 Menschen erfasst hat.
Nicht nur in Deutschland ist die Krankheit wieder auf dem Vormarsch – aufgrund ausbleibender Impfungen sorgen die hochansteckenden Viren weltweit für mehr Opfer.
«Masern-Epidemie auch in der Schweiz möglich»
«Ein Ausbruch, wie ihn Berlin nun erlebt, könnte sich auch in der Schweiz ereignen», sagt Pascal Strupler, Amtsdirektor des BAG, zur «NZZ am Sonntag». Der Grund sei, dass auch in der Schweiz die Durchimpfungsrate noch zu tief sei.
Die Impfung sei der einzige Schutz gegen Masern, so Strupler. Sie stosse aber nicht bei allen auf Anklang. «Weder bei den Kindern noch bei den Erwachsenen wird die in der Schweiz angestrebte Impfquote von 95 Prozent derzeit erreicht», fügt der Amtsdirektor an. Die tiefste Rate bei Kleinkindern weisen gemäss «Schweiz am Sonntag» die Kantone Nidwalden, (73 Prozent), Graubünden (78 Prozent) sowie Schwyz und Uri (je 79 Prozent) auf.
Braucht es einen Impfzwang?
Einen Impfzwang, wie ihn deutsche Politiker in den letzten Tagen forderten, hält der Infektiologe Christoph Berger aber für unnötig: «Wir setzen lieber auf gute Information. Völlig ablehnend sind nur wenige Eltern.» Ein Grund für deren Impfverweigerung sei zum Beispiel die Vermutung, das Immunsystem der Kinder werde durch Impfstoffe überlastet.
«Dabei kommt das Immunsystem der Kinder gut damit zurecht», so Berger. Auch die Angst, dass die Impfung einen vollen Masernschub auslösen könne, sei unbegründet. «Nur in extrem seltenen Fällen sind tatsächlich schwere Impfreaktionen möglich – aber diese sind mindestens tausendmal weniger wahrscheinlich und weniger schwer als die Komplikationen bei einer Masernerkrankung.»
«Ungeimpfte sind weniger krank»
Simona Brot (42) und Rolf Nutt (45) aus Summaprada GR sind da anderer Meinung. Sie verzichten seit 15 Jahren auf Impfungen für sich und ihre Kinder. Grund dafür sei eine Impfreaktion beim Sohn Matteo (16) gewesen. «Er hat kurz nach einer Kombi-Impfung zwei Mittelohrentzündungen bekommen», sagt die Mutter zum «SonntagsBlick».
Matteo steht hinter der Entscheidung seiner Eltern: «Meine geimpften Klassenkameraden sind viel häufiger krank als ich, vor allem wegen Grippe. Ich war in den vergangenen Jahren nur drei Tage krank.» Für den Impfgegner Daniel Trappitsch ist das nicht verwunderlich. Seiner Erfahrung nach seien ungeimpfte Kinder weniger oft krank.
Kritik an Impfgegnern
Den Fokus bei einer Impfentscheidung auf die Risiken zu legen, ist laut Experten nicht das richtige Vorgehen: «Viele Krankheitsbilder sind inzwischen kaum noch bekannt, zum Beispiel bei der Kinderlähmung. Deshalb richtet sich der Fokus auf die möglichen Nebenwirkungen der Präparate und nicht auf die Krankheiten an sich», erklärt Daniel Koch vom BAG.
Im Fall der Masern habe das nun schwerwiegende Folgen gehabt.
«Wäre der Berliner Junge geimpft gewesen, wäre er gar nicht erkrankt. Wäre seine Umgebung genügend durchgeimpft gewesen, wäre es in Berlin überhaupt nicht zu dieser Häufung von Erkrankungen gekommen», so Christoph Berger.
Masern in der Schweiz
Zwischen 2006 und 2009 kam es in der Schweiz zu einer Masern-Epidemie. «Über 4400 Fälle wurden gemeldet. Von den betroffenen Personen hatten rund 400 mit medizinischen Komplikationen zu kämpfen, 341 mussten ins Spital eingeliefert werden», sagt der Infektiologe Christoph Berger. Die Welle forderte im Jahr 2009 ihren höchsten Tribut, als ein 12-jähriges Mädchen an den Folgen der Masern starb.
Im Rahmen einer Kampagne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Schweiz deshalb verpflichtet, die Masern bis Ende 2015 zu eliminieren. Dieses Ziel konnte bis jetzt noch nicht erreicht werden. Seit zwei Jahren werden darum in einem Fall von Masern nicht nur die betroffene Person, sondern auch deren Umfeld auf Impfungen überprüft.