Unternehmer fordert Umdenken«Junge zahlen den Preis für die Politik der Alten»
Jungunternehmer Hannes Gassert findet, die Schweiz werde zum «Altenland». Zusammen mit Gleichgesinnten will er unsere Politik modernisieren – etwa mit einem Stimmrecht für 14-Jährige.

Die Podiumsdiskussion von SD21 stand unter dem Motto: «Wer zieht den Karren?» Für Gassert ist die Antwort klar: Die Jungen!
Herr Gassert*, wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig über die Schweizer Politik geärgert?
Nach der Gripen-Abstimmung. Sofort ging der Streit um die Kampfjet-Gelder los – ohne dass wirklich jemand über langfristige Strategien diskutiert hätte.
Wo ist das Problem?
Die Politiker im Bundeshaus denken oft bloss etwa bis zum nächsten Wahlkampf. Die langfristige Perspektive, die sich beschleunigende Innovation und der Blick auf die kommenden Generationen werden ausser Acht gelassen. Und gleichzeitig wird die Schweiz immer mehr vom Alpen- zum Altenland.
Wie meinen Sie das?
Die Politik wird in erster Linie von Grauhaarigen für Grauhaarige gemacht: Schulden und Renten zahlen die nächste Generation, doch Freiräume für Junge sind nicht Priorität. Das liegt unter anderem daran, dass es für junge Menschen heute einfach schwierig ist, überhaupt in den politischen Zirkel reinzukommen. Auch unter den Wählern werden die Alten durch die demografische Entwicklung immer zahlreicher als die Jungen. Somit ist klar, wer die Mehrheit bildet und damit auch, wer etwas zu sagen hat.
Sie sind Internetunternehmer. Warum beschäftigen Sie sich überhaupt mit diesen Fragen?
Weil für die Schweiz viel auf dem Spiel steht. Als jemand, der viel mit Technologie zu tun hat, sehe ich, wie unsere Politik wichtige Bereiche einfach vernachlässigt und es verpasst, die richtigen Weichen für die Zukunft, für die Informationsgesellschaft zu stellen. Entscheide, die wir heute versäumen, werden unseren Gestaltungsspielraum und unsere Freiheit später massiv einschränken.
Nennen Sie mir ein Beispiel.
Nehmen wir den NSA-Skandal: Wenn man Themen wie Überwachung zu lange vernachlässigt, entscheiden irgendwann andere. In diesem Beispiel ist das Resultat, dass die USA uns alle überwachen, ohne dass wir als Staat etwas dagegen ausrichten könnten. So zahlen die Jungen den Preis für die Politik der Alten. Denn diese haben eben nicht nur andere Prioritäten, sondern in Sachen Internet halt auch einfach Wissenslücken.
Sie engagieren sich beim StrategieDialog21 (siehe Box). Was soll eine Diskussionsplattform wie diese an der aktuellen Situation ändern?
Da kommen verschiedene, kreative Leute, aktive Gestalter zusammen, die eine Diskussion anstossen und den Pioniergeist hochhalten wollen. Ich finde, dass gerade wir Technologieunternehmer eine Verantwortung für die Gesellschaft haben. Wir dürfen die Politik nicht einfach aufgeben. Technologie erfasst mehr und mehr Lebensbereiche, dem müssen wir uns stellen. Und sicherstellen, dass wir die direkte Demokratie auch nutzen. Es braucht aber grundsätzliche Neuerungen, damit es für die Jungen wieder attraktiver wird. Ein Stimmrechtsalter 16, wie es auch Didier Burkhalter seit kurzem unterstützt, zum Beispiel. Mir wäre es sogar noch lieber, man liesse bereits 14-Jährige wählen.
Sie glauben aber nicht im Ernst, dass 14-Jährige so langfristig denken, wie Sie es von unseren Politikern erwarten?
Vermutlich würden Jugendliche sogar eher auf einfache, kurzfristige Erklärungen ansprechen. Aber sie würden früh in unser politisches System integriert. Es käme nie das Gefühl auf: Wir können ja eh nichts entscheiden. Zudem wäre es eben ein Schritt hin zu mehr Gleichgewicht zwischen den Interessen von Alt und Jung. Und: Gegen oben ist das Stimmrechtsalter ja auch nicht beschränkt.
Dann kommt bald eine Initiative für das Stimmrechtsalter 14 vom StrategieDialog21?
Wohl kaum. StrategieDialog21 ist keine politische Kampfmaschine, sondern eine Diskussionsplattform. Es geht darum, Zukunftsszenarien und Strategien zu entwickeln, es geht um mutiges, langfristiges und verantwortungsvolles Denken. Und um Engagement. Weil frei ist nur, wer seine Freiheit nutzt, und wenn sich immer mehr abkoppeln, entsteht in unserem politischen System eine Lücke, weil sich ganze Generationen nicht mehr für Politik interessieren.
Kann es denn überhaupt eine Politik geben, die Jungen und Alten gleichermassen gerecht wird?
Es muss. Denn alt werden wir irgendwann alle. Das Ziel muss sein, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der verschiedenen Generationen zu finden und auf Augenhöhe diskutieren zu können.
*Hannes Gassert (32) ist Gründer von Liip.ch und Opendata.ch
StrategieDialog21
Die Stiftung StrategieDialog21versteht sich als Diskussions-Plattform für Wirtschaftsfreiheit, Bildung und soziale Stabilität: «Der SD21 richtet sich an engagierte und couragierte Bürger, an Meinungsmacher, an junge Wilde und Entscheidungsträger, die sich in der aktuellen Parteien- und Verbandslandschaft nicht mehr wiederfinden; kurz, an Personen, die sich einbringen und die Zukunft des Landes durch Ideen und Initiative aktiv mitgestalten wollen», so Geschäftsführerin Nathaly Bachmann Frozza. Ins Leben gerufen wurde die Stiftung Ende 2013.
Unter dem Motto «Wer zieht den Karren? Auf der Suche nach engagierten Bürgern von heute für die Schweiz von morgen» veranstaltete die Stiftung im Mai eine Podiumsdiskussion in der Fabrikationshalle von «Freitag» in Zürich.