«Leute sind gestorben und ihr macht Propaganda»

Aktualisiert

Shitstorm gegen JSVP«Leute sind gestorben und ihr macht Propaganda»

Kurz nach dem Attentat in Berlin macht die Junge SVP Stimmung gegen Einwanderung. Dafür erntet sie heftige Kritik.

Nikolai Thelitz
von
Nikolai Thelitz
Kurz nach dem mutmasslichen Attentat macht die Junge SVP bereits damit Politik. Es gebe in Europa eine «Terrorfreizügigkeit».
Auf Google Maps zeigt die Partei die Route von Berlin in die Schweiz und fragt: «Wie lange noch?»
Viele Facebook-User finden den Post daneben. «Das ist gerade mal ein paar Stunden her und schon wirds von euch Deppen instrumentalisiert.»
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Kurz nach dem mutmasslichen Attentat macht die Junge SVP bereits damit Politik. Es gebe in Europa eine «Terrorfreizügigkeit».

Gegen 20 Uhr rast ein Lastwagen in eine Menschenmenge bei einem Weihnachtsmarkt in Berlin. Schon 90 Minuten später postet die Junge SVP auf ihrem Facebook-Profil einen Text.

«Ein Kontinent, der bei der Einwanderung keine Grenzen kennt, kann auch beim Terror keine Grenzen ziehen», schreibt die Jungpartei. «Wie lange fährt Europa mit der Terrorfreizügigkeit und der Terroreinschleusung noch so weiter?» Wenige Minuten später publiziert die Partei ein Bild mit der Google-Maps-Route von Berlin in die Schweiz und dazu die Frage: «Wie lange noch?»

Dass die Partei so kurz nach der Bluttat schon versucht, diese für politische Ziele zu nutzen, entfachte unter den Facebook-Usern einen Sturm der Entrüstung. «Gott, was seid ihr für eine erbärmliche Truppe. Null Respekt vor den Toten oder vor Fakten, Hauptsache, losgepoltert und versuchen, mit Herumproleten Stimmung zu machen. Schämt euch!», schreibt D. Z.*

«Der Post war der Vernunft widersprechend»

«Eure primitive Hetze und stupide Angstmacherei ist das Letzte, was es in solchen Momenten braucht», schreibt T. B.* «Was soll das? Da sind gerade Menschen gestorben und ihr missbraucht dieses tragische Ereignis für eure Propaganda. Da fehlen mir die Worte. Schämt euch», schreibt M. E.* Auch mit Gewalt wird gedroht: «Damit habt ihr einfach mal eins auf die Fresse verdient», schreibt ein User.

Nach dem Shitstorm in den Kommentaren sieht sich Generalsekretär Andreas Gerber zu einer Stellungnahme veranlasst. «Der Post war in der Tat der Vernunft widersprechend», schreibt Gerber auf der Facebook-Seite. «Doch mich nahm der erneute Anschlag und die zahlreichen Toten und Verletzten wirklich mit.» Eine simple Anteilnahme «wie alle anderen» habe er deshalb nicht publizieren wollen.

«Die Junge SVP giesst Öl ins Feuer»

Für Juso-Chefin Tamara Funiciello sind die Posts «unter aller Sau». Man wisse noch gar nicht, was passiert sei, schon sei die Junge SVP wieder daran, gegen Minderheiten zu hetzen. «Das ist so was von unüberlegt, die Junge SVP giesst Öl ins Feuer und schürt nur den Hass.» Auch die Frustration über die Tat rechtfertige nicht solche Posts. «Damit wird nichts ungeschehen.»

Grenzkontrollen oder eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit würden gegen Terrorismus nichts bringen. «Ein Terrorist gibt sich ja nicht an der Grenze zu erkennen, und es können auch Schweizer schreckliche Terrorakte verüben.» Stattdessen sei es angebracht, nun die Tatsachen abzuwarten. Dann könne man diskutieren, was politisch zu tun sei.

«Ich persönlich hätte es nicht gepostet»

Gegenüber 20 Minuten zeigt sich Post-Schreiber Gerber einsichtig: «Ich hätte zuerst mein Beileid ausdrücken sollen.» Die «ständigen Trauerposts» und die Tatenlosigkeit hätten ihn aber dazu veranlasst, politisch zu werden. Sollte das Angehörige der Opfer verletzt haben, so tue es ihm leid. Die Kritik in den Kommentaren komme aber aus dem linken Lager und sei ebenfalls politisch motiviert.

JSVP-Präsident Benjamin Fischer steht hinter seinem Generalsekretär. «Ich persönlich hätte es nicht gepostet, aber Herr Gerber hat dies in einem emotionalen Moment getan und sich nachher erklärt. Das ist so für mich in Ordnung.» Auch die Botschaft finde er richtig: «Die Ereignisse finden unmittelbar vor unserer Haustür statt und betreffen uns direkt.»

*Namen der Redaktion bekannt

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