«Schwierig, Asylsuchende mit Drohnen zu erkennen»

Aktualisiert

André Blattmann im Interview«Schwierig, Asylsuchende mit Drohnen zu erkennen»

Armeechef André Blattmann äussert sich im Interview zur Armeereform sowie zum Asylchaos im Tessin. Und er erklärt, wieso ihn Schweizer Soldaten vor der Albaner-Flagge stören.

Jeremias Büchel
von
Jeremias Büchel
Armeechef André Blattmann: Um Extremisten zu erkennen, sind wir auf eine aufmerksame Bevölkerung und den Nachrichtendienst angewiesen.

Armeechef André Blattmann: Um Extremisten zu erkennen, sind wir auf eine aufmerksame Bevölkerung und den Nachrichtendienst angewiesen.

In der Sommersession ist die Armeereform im Parlament überraschend abgestürzt. Wie enttäuscht sind Sie?

Ich glaube nicht, dass sie abgestürzt ist. Das Ergebnis ist ein Zwischenresultat. Es hat sich gezeigt, dass es inhaltlich keine grossen Differenzen gibt. Einzig die Finanzierung gibt noch zu reden.

Haben Sie sich über die SVP genervt, die sich nicht auf einen Kompromiss einlassen wollte?

Ich möchte nicht über einzelne Parteien sprechen. Im Parlament müssen sich Mehrheit bilden. Als Armeechef muss ich umsetzen, was die Politik beschliesst. Jetzt nimmt die Reform halt eine Zusatzrunde.

Ist die Armee ohne grundlegende Reform überhaupt in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen?

Status quo haben wir 200'000 Mann, die nicht vollständig ausgerüstet werden können. Wenn die Reform nach der Differenzbereinigung im Parlament durchkommt, werden wir 100'000 Armeeangehörige haben, die komplett ausgerüstet werden und damit materiell einsatzbereit sind.

Auch die Kaderausbildung soll auf den Kopf gestellt werden. Geplant ist, dass Wachtmeister erst auf die Rekruten losgelassen werden, wenn sie selber eine Rekrutenschule komplett absolviert haben.

Diese Anpassung ist notwendig. Das Modell der Armee 21 mit sechs Wochen Grundausbildung und unmittelbar anschliessender Kaderausbildung hat sich nicht bewährt. Es ist unschweizerisch, wenn jemand nicht zuerst die Grundlagen erlebt hat und schon Chef ist. Das soll mit der Reform korrigiert werden. Jeder soll wieder eine vollständige RS absolvieren, sodass er zu seinen Soldaten auch aus eigener Erfahrung sprechen kann.

2014 erzählten Sie, dass bei Ihnen zu Hause immer ein Notvorrat an Mineralwasser bereitstehe.

Ja, den habe ich immer noch. Und beim Einkaufen werde ich schon mal auf den Vorrat angesprochen. Die Notwendigkeit ist aber unbestritten. Denn bricht die Trinkwasserversorgung wegen eines Erdbebens oder eines langen Stromunterbruchs zusammen, hat niemand die Garantie, dass sofort sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht. Und das ist lebenswichtig.

Wie beurteilen Sie denn die Sicherheitslage unserer Zeit?

Durchzogen. Sehen Sie, vor 16 Monaten fanden die Olympischen Winterspiele in Sotschi statt. Wer hätte damals gedacht, dass heute die Krim nicht mehr zur Ukraine gehört und der IS ein Territorium kontrolliert, das so gross wie Grossbritannien ist? Die Krim ist eine Woche nach den Winterspielen annektiert worden, ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre. Auch die Wirtschaftskrisen in Südeuropa haben das Potenzial für soziale Unruhen. Und das alles passiert nur rund zwei bis vier Flugstunden von der Schweiz entfernt. Man muss sich einfach bewusst sein, dass der Frieden schnell kippen kann.

Welches sind die grössten Bedrohungen für die Schweiz?

Cyberattacken sind jetzt zu Friedenszeiten schon Realität. Darüber hinaus sind Extremisten eine Gefahr, da sie mit unserer Art zu leben nicht einverstanden sind.

Wie kann man diese Leuten von ihren Taten abhalten?

Man muss aufmerksam verfolgen, wie sie sich verhalten. Vielleicht kann man ihnen auch das eine oder andere unserer Kultur erklären. Es gibt auch Vorurteile, die man entkräften kann. Grundsätzlich ist die Schweiz ein offenes Land. Hier leben zwei Millionen Menschen mit ausländischer Abstammung und es gibt kaum Probleme. Wichtig ist die Information. Wenn Leute ins Extreme abdriften, muss der Sicherheitsapparat des Landes das wissen. Da sind wir auf die aufmerksame Bevölkerung und den Nachrichtendienst angewiesen.

Sie bekommen sechs neue Aufklärungsdrohnen aus Israel. Zu welchen Zwecken werden diese eingesetzt?

Zum selben Zweck wie die heutige Drohne: in erster Linie als Aufklärungsmittel für die Armee, um im Ereignisfall mögliche Gegner festzustellen. Zudem werden die Drohnen auf Anfrage ziviler Behörden wie Kantonspolizeien oder Grenzwachtkorps zur Verfügung gestellt.

Können damit auch Asylsuchende, die über die Südgrenze illegal in die Schweiz kommen, aufgespürt werden?

Eher nicht. Denn Asylsuchende aus der Luft als solche zu erkennen, ist schwierig. Um Personenbewegungen im Zwischengelände mit Drohnen festzustellen, bräuchte es einen Auftrag einer zivilen Behörde, des Grenzwachtkorps oder der Polizei und die entsprechende Bewilligung des Bundes.

Das Tessin ist mit dem Ansturm der Asylsuchenden überfordert. Immer wieder wird der Ruf nach der Armee laut, die die Grenzwache unterstützen soll. Sind Sie dazu bereit?

Denkbar wäre höchstens, dass wir aufgrund eines Gesuches zivile Behörden unterstützen würden. Wir hatten das in den 90er-Jahren, zur Zeit des Balkankrieges, auch schon gemacht. Die Schweizer Armee betrieb und bewachte damals Asylzentren. Zu dieser Zeit waren wir aber auch noch 450'000 Mann stark, hatten also mehr als doppelt so viele Leute wie heute und viermal so viele wie nach der geplanten Armeereform. Daher ist ein solcher Einsatz heute eher unwahrscheinlich, zumal die zivilen Organisationen gut aufgestellt sind und einen guten Job machen.

Zum Schluss noch ein ganz anderes Thema: Im April kursierten Fotos im Netz, auf denen Schweizer Soldaten stolz vor dem albanischen Doppeladler posierten. Hat Sie das gestört?

Ja, denn so bringen ein paar wenige alle Soldaten mit Migrationshintergrund in Verruf. Ich mag es nicht, wenn man in der Armee politische Aussagen macht. Dagegen muss man vorgehen. Da es sich um einen einmaligen Vorfall handelt, bleibe ich aber gelassen.

Deine Meinung zählt