«Sehr geil» – Coop verkauft jetzt vegane Erde

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Ohne Horn und Hufe«Sehr geil» – Coop verkauft jetzt vegane Erde

Wer in der Ernährung auf Tierisches verzichtet, kann neu auch bedenkenlos gärtnern. Veganer sind euphorisch, Gärtner skeptisch.

von
J. Büchi
Pünktlich zum Start der Gartensaison hat Coop eine vegane Blumenerde ins Sortiment aufgenommen. Der 15-Liter-Sack kostet 9.50 Franken. Dass gewöhnliche Balkonerde tierische Rückstände enthält, dürfte viele überraschen - und das gilt auch für andere Produkte.
Dass der Käse auf dem Bild Milch aus tierischer Herkunft enthält, dürfte den meisten Betrachtern klar sein. Dass für dessen Herstellung auch Lab, ein Stoff aus Kälbermägen, verwendet wird, ebenfalls. Weniger bekannt ist, dass Wein ebenfalls nicht frei von tierischen Stoffen ist. Er wird meist mit einem Protein aus Fischblase oder Gelatine gefiltert.
Dasselbe gilt für klaren Apfelsaft ...
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Pünktlich zum Start der Gartensaison hat Coop eine vegane Blumenerde ins Sortiment aufgenommen. Der 15-Liter-Sack kostet 9.50 Franken. Dass gewöhnliche Balkonerde tierische Rückstände enthält, dürfte viele überraschen - und das gilt auch für andere Produkte.

Coop baut sein veganes Sortiment weiter aus: Wie der Detailhändler in seinen Produktenews für die Monate März/April schreibt, kommen nicht nur ein Bärlauch-Tofu und ein Cashew-Chia-Riegel neu in die Regale. Auch eine vegane Balkonerde ist ab sofort im Sortiment. Der 15-Liter-Sack kostet 9.50 Franken – rund zehnmal mehr als die günstigste Blumenerde von Prix Garantie.

Auf die Neuheit ist man beim Grossisten merklich stolz: «Coop war schon immer zuvorderst, wenn es darum ging, Trends aufzuspüren und Innovationen umzusetzen», sagt Sprecherin Angela Wimmer. Entsprechend biete Coop nun als erster Detailhändler in der Schweiz Erde an, die keinerlei tierische Rückstände enthalte.

Gemahlenes Horn in der Erde

Veganer sind begeistert. «Wie geil ist das denn?», fragt ein Blogger in einem Eintrag auf Vegan.ch. Und gibt sich die Antwort gleich selber: «Sehr geil.» Herkömmliche Erde werde mit Hornspänen gedüngt, also mit gemahlenen Hörnern und Hufen von geschlachteten Rindern, erklärt er. Zudem enthalte Kompost oft Eierschalen.

«Bis jetzt waren deine Tomaten nicht wirklich vegan», folgert er. Und führt weiter aus, wer herkömmliche Erde kaufe, unterstütze damit indirekt die Nutztierindustrie. Zwar räumt er ein, dass beim Hacken des Blumenbeets auch bei Verwendung veganer Erde Würmer oder Käfer in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Diesbezüglich plädiert er aber für eine pragmatische Haltung.

Nicht jeder Wein ist vegan

Auch Raphael Neuburger, Sprecher der Veganen Gesellschaft Schweiz, ist vom neuen Coop-Produkt begeistert. «Die Hersteller der Erde sind auf uns zugekommen», erzählt er. Das Beispiel zeige, dass die Nachfrage nach Produkten, die «ganz ohne Nebenprodukte der Nutztierhaltung» auskommen, zunehme.

Bei vielen Produkten wüssten die Konsumenten nicht einmal, dass sie tierische Bestandteile enthalten, so Neuburger. «Beispiele sind Getränke wie Apfelsaft, Wein oder Bier, die mit Gelatine aus Schweineknochen oder mithilfe von Fischblasen gefiltert werden, damit sie klar werden.»

Tierfett im Banknötli

Weiter verweist er auf die englische 5-Pfund-Note: Im letzten November räumte die Bank of England ein, dass der Geldschein Spuren von tierischem Talg enthält – worauf sich im Königreich heftiger Protest entlud.

«Das heisst natürlich nicht, dass man als Veganer nicht mit 5-Pfund-Noten bezahlen dürfte», sagt Neuburger. Die Aufzählung zeige nur, wie tief die Nutztierhaltung in unser Leben eingreife. «Unsere Devise ist, dass man dort, wo es Alternativen gibt, diese auch fördern sollte. Wie eben im Fall der Balkonerde.»

Zwei Anfragen in zehn Jahren

Beim Unternehmerverband Gärtner Schweiz, JardinSuisse, war vegane Erde bisher kein Thema. Auch bei den Herstellern von Erde sei die Nachfrage äusserst gering, wie Sprecher Marius Maissen in Erfahrung gebracht hat. «Ein Produzent sagte mir, dass sich in zehn Jahren zweimal ein Kunde danach erkundigt habe.» Ob es so etwas wie vegane Erde überhaupt gibt, sei zudem fraglich: «In der Natur existiert kein Boden, in dem es keine minimalen Reste von Insekten oder anderen tierischen Organismen gibt.»

Gelassen nimmt man den Trend auch bei der Centravo-Gruppe, die auf die Verwertung der Schweizer Schlacht-Nebenprodukte spezialisiert ist. «Eine Entscheidung, vegane Produkte zu bevorzugen, ist jeweils persönlicher Natur, die es zu respektieren gilt», so Sprecher Georg O. Herringer. Auf das Geschäft habe die vegane Bewegung bislang keinen Einfluss.

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