Flugzeug-Unglück«Start 14 Tage nach dem Crash kommt viel zu früh»
Die Ju-Air will schon am 17. August wieder abheben. Nicht alle verstehen diesen Entscheid: Erst müsse man erste Untersuchungsergebnisse abwarten.
Nach dem Absturz einer Ju-52 am Piz Segnas möchte die Ju-Air ihren Betrieb in in zehn Tagen wieder aufnehmen – vorausgesetzt, dass bis dahin keine Hinweise auf ein technisches Versagen vorliegen. Das hat Ju-Air-CEO Kurt Waldmeier am Montag gegenüber TeleZüri gesagt. «Die meisten Leute sterben im Bett, wenn man etwas erleben will, dann hat man ein gewisses Risiko.»
Laut Waldmeier haben sich bereits wieder Kunden für Tickets interessiert. Der Entscheid, die verbleibenden Ju-52 vorerst am Boden zu lassen, sei aus Pietätsgründen gefällt worden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) habe einen Start nie untersagt.
«Die Angehörigen sind noch mitten im Trauerprozess»
Dass die Ju-Air bereits zwei Wochen nach dem Unfall wieder abheben will, sorgt bei SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf für Kopfschütteln. «Für eine Wiederaufnahme des Betriebs ist es schon aus Gründen der Pietät viel zu früh: Die Angehörigen sind noch mitten im Trauerprozess.» Es spreche nichts dagegen, die Maschinen noch eine Weile am Boden zu lassen, zumal die Betreiber sagen, dass finanzielle Gründe beim Entscheid keine Rolle gespielt hätten.
Daneben stellten sich auch Sicherheitsfragen: «Die Untersuchung könnte Jahre dauern. Ich verstehe darum, dass man nicht den Abschluss abwarten will, bevor man wieder abhebt.» In den nächsten Wochen könnten sich aber erste Erkenntnisse zu den Ursachen herauskristallisieren.
Letztlich müsse sich die Airline fragen, wie lange sie mit den Oldtimer-Flugzeugen Passagierflüge anbieten wolle: «Auch wenn die Maschinen gut unterhalten sind, erfüllen sie nicht die heutigen Sicherheitsstandards. Vielleicht muss man sagen, dass man sie einfach ins Museum stellt.»
«Ich würde sofort wieder mit der Ju fliegen»
Richtig findet dagegen Aviatik-Experte Hansjörg Egger den Entscheid der Ju-Air. Je schneller man zum Alltag zurückkehre, desto kleiner sei die Verunsicherung. Zudem könne es Jahre dauern, bis eine Ursache für das Unglück gefunden werde – wenn diese überhaupt je gefunden werden könne. «Es ist unrealistisch, dass im Falle eines nicht völlig geklärten Unfalls generell alle Flugzeuge eines Typs am Boden bleiben müssten, und zwar weltweit», so Egger.
Nichtsdestotrotz müssten die betroffenen Maschinen betreffend ihre technische Flugtauglichkeit nun ganz genau unter die Lupe genommen werden. Laut Egger muss zukünftig allenfalls strikt auf Flüge bei unsicheren meteorologischen Bedingungen verzichtet werden. Die Entscheidung, ob das Vertrauen in die Oldtimerflugzeuge nach dieser Tragödie noch vorhanden sei, liege ohnehin bei den einzelnen Passagieren. «Ich meinerseits würde sofort wieder in eine Ju steigen», sagt der Experte.
Christian Gartmann, Sprecher der Ju-Air, sagt: «Durch den Flugstopp wollten wir unseren Mitarbeitern und auch den Angehörigen eine Verschnaufpause verschaffen. Die meisten Opfer waren Freunde.» Dennoch seien viele Mitarbeiter motiviert, bald schon wieder zu fliegen. Von der Fliegerei abwenden wolle sich aufgrund des tragischen Unglücks niemand bei der Ju-Air. «Die Sicherheit hat für uns aber allerhöchste Priorität.»
Groundings sind sehr selten
Das Bazl hat den Entscheid der Ju-Air zur Kenntnis genommen, wie Mediensprecher Urs Holderegger sagt. «Nach zwei Wochen Pause sollte das Personal der Ju-Air mental wieder in der Lage sein, sicher zu fliegen.» Sollten sich bis zur Wiederaufnahme des Betriebs aber kleinste Hinweise auf technische Mängel ergeben, werde das Bazl sofort Massnahmen und wenn nötig ein Grounding anordnen. «So etwas ist in der jüngsten Luftfahrt-Geschichte erst einmal im Falle der Boeing 787 geschehen. Damals mussten die Batterien jeglicher Maschinen ersetzt werden», sagt Holderegger.