Was passiert, wenn wir einen Monat vegan leben?

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Vegan-ChallengeWas passiert, wenn wir einen Monat vegan leben?

Tierfreunde fordern dazu auf, einen Monat vegan zu leben. Wie viel Kilo Fleisch, Eier und Milchprodukte würden liegenbleiben?

von
Silvana Schreier
Mit diesen Plakaten fordert die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus die Schweizer dazu auf, für 28 Tage auf tierische Produkte zu verzichten.
Tobias Sennhauser, Präsident von Tier im Fokus: «Wir wollen gezielt Vorurteile gegenüber dem Veganismus abbauen und die Nachfrage nach tierischen Produkten langfristig senken.»
Die Aktion richte sich an «Neulinge», die wenig über die vegane Ernährung wüssten.
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Mit diesen Plakaten fordert die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus die Schweizer dazu auf, für 28 Tage auf tierische Produkte zu verzichten.

Tier im Fokus

Im Februar 28 Tage lang ausschliesslich vegan leben: Dazu ruft die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF) mit ihrer Plakatkampagne auf. «Wir wollen Vorurteile gegenüber der veganen Lebensweise abbauen, Tipps zur veganen Ernährung geben und die Nachfrage nach tierischen Produkten langfristig senken», sagt Präsident Tobias Sennhauser. Die Aktion richte sich besonders an «Neulinge», die wenig über die vegane Ernährung wüssten.

Doch was würde geschehen, wenn alle Schweizer einen Monat lang auf tierische Produkte verzichteten? Jährlich konsumiert der Schweizer pro Kopf 50,98 Kilogramm Fleisch, 176,6 Eier, 114,7 Kilogramm Milch und Milchprodukte. Das heisst: Im Monat Februar würden in der Schweiz insgesamt etwa 35'000 Tonnen Fleisch, rund 80'000 Tonnen Milch und Milchprodukte sowie knapp 124 Millionen Eier nicht gegessen werden.

«Tierprodukte zu Dumping-Preisen»

Für Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), ist die Vegan-Challenge zwar «eine gute Aktion», aber der Veganismus sei nur Teil der Lösung der Probleme: «Veganismus ist kein Allerheilmittel.» Würden alle Schweizer im Februar auf tierische Produkte verzichten, stapelten sich grosse Mengen an Fleisch in den Kühllagern. Die Folge: «Im März würden die Produkte dann zu Dumping-Preisen verkauft werden. Was den Konsum wieder anheizen würde.» Laut Niggli wäre es aber hilfreich, wenn «die Leute weniger Schweinefleisch oder billige Güggeli und nur noch ein Ei pro Woche essen würden».

Für die Migros wäre es problematisch, wenn sie einen Monat lang keine tierischen Produkte verkaufen könnte: «Denn die Hühner würden trotzdem Eier legen, die Kühe würden Milch geben und die Kälber würden schlachtreif werden», sagt Sprecherin Martina Bosshard. Welche Massnahmen in einem solchen Fall ergriffen werden müssten, kann die Migros nicht vorhersagen. Eine genaue Bezifferung des Verlusts sei ebenfalls nicht möglich.

Coop wollte sich zum konkreten Szenario nicht äussern. Eine Veganismus-Welle in der Schweiz sei unwahrscheinlich. «Grundsätzlich ändern die Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten nicht über Nacht», sagt Sprecherin Alena Kress.

«Gemüse würde knapp»

Würden plötzlich alle Schweizer vegan leben, dann könnte das Gemüse rasch knapp werden, befürchtet Danielle Cotten vom Verein Swissveg, die die Aktion grundsätzlich befürwortet. Und: «Der Fleischmarkt würde noch stärker subventioniert als bisher – der Bund greift bei solchen Fällen immer ein.» Sinnvoller sei deshalb ein stetiger, nachhaltiger Rückgang der Nachfrage. Wenn man seine Ernährung von heute auf morgen umstellen müsse, könne das überfordernd und frustrierend sein – «obwohl der Umstieg auf die vegane Ernährung nicht so aufwendig ist, wie man annimmt». Wenn man alle Informationen habe, könne man sich ausgewogen vegan ernähren.

Fleisch zu Dumping-Preisen und Schlachttiere, die umsonst sterben müssten – gibt das Initiant Sennhauser nicht zu denken? Dieses hypothetische Szenario dürfte laut Sennhauser nie so eintreten. «Aber es könnte zu einem ernsthaften Einbruch bei der Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten kommen, der der Tierindustrie nachhaltig schadet.» Realistisch betrachtet sei es aber ein schleichender Prozess: «Der Veganismus wird sich über die nächsten Jahrzehnte weiter verbreiten. Und Nachfrage und Angebot werden sich laufend daran anpassen», so Sennhauser.

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