Leuthard trifft Juncker«Wichtiger Schritt» oder «Kniefall» in Brüssel?
Die EU verhandelt wieder mit der Schweiz, im Gegenzug soll auch über das Rahmenabkommen geredet werden. Das sorgt für Zoff.
In den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU geht es vorwärts. Beim Besuch von Bundespräsidentin Leuthard bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel beschlossen die beiden, Verhandlungen über alle Dossiers wieder aufzunehmen. Die EU hatte verschiedene Verhandlungen, etwa zm Abbau von technischen Handelshemmnissen und zu Abkommen im Strommarkt blockiert, nachdem die Schweizer Stimmbürger die Zuwanderungsinitiative der SVP angenommen hatten.
Gleichzeitig beabsichtigen beide Seiten, bis Ende Jahr die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU abzuschliessen. Dieses soll die bilateralen Verträge unter ein vertragliches Dach stellen. Es soll unter anderem die Übernahme von EU-Recht in der Schweiz sowie Verfahren für eine verbindliche Streitbeilegung zwischen der Schweiz und der EU regeln.
«Wir kommen einen wichtigen Schritt weiter»
«Offensichtlich hat Leuthard zugesagt, dass beide Seiten versuchen, sich über das Rahmenabkommen bis Ende des Jahres zu einigen. Im Gegenzug ist die EU bereit, die Gespräche über die Dossiers zu deblockieren», sagt SP-Nationalrat und Ex-Diplomat Tim Guldimann. Er sieht die Einigung zwischen Leuthard und Juncker sehr positiv. «Das ist zwar noch kein Durchbruch, aber wir kommen damit einen wichtigen Schritt weiter, um die Bilateralen zu sichern».
Es öffne sich heute der Weg, sowohl für die Wirtschaft wichtigen technischen Handelshemmnisse zu überwinden als auch neue bilaterale Verträge wie das Stromabkommen zu ermöglichen. Auch die EU habe ein Interesse daran, weiterzukommen. «Für wirtschaftlich starke Regionen der Nachbarländer wie etwa Baden-Württemberg sind gesicherte Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz enorm wichtig».
«Frau Leuthard ist vor der EU in die Knie gegangen»
Nicht zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen ist hingegen die SVP. «Frau Leuthard ist schon im Voraus vor der EU in die Knie gegangen», sagt Nationalrat Walter Wobmann. Zwar sei es gut, dass die Dossiers deblockiert würden, dies sei aber zu einem hohen Preis geschehen, denn die EU wolle nun möglichst schnell in einem Rahmenabkommen die Schweiz enger an sich binden. «Die EU steckt in einer Krise. Von einer Anbindung profitiert die Schweiz sicher nicht.»
Parteipräsident Albert Rösti ist ebenfalls skeptisch. «Man will dem Volk erzählen, man habe einen Erfolg erzielt.» Die deblockierten Dossiers seien aber nicht so wichtig, dass man sie deswegen gleich mit dem Abschluss des Rahmenabkommens verbinden dürfe. «Der Rahmenvertrag bringt automatische Rechtsanpassungen von der EU und fremde Richter und gefährdet somit die Souveränität der Schweiz. So etwas wird die SVP mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.»
«Die EU weiss, dass wir uns nicht unterwerfen»
Auch die anderen bürgerlichen Parteien stellten sich am Wochenende gegen ein Rahmenabkommen: «Ich stehe auf einer Skala zwischen Unterbruch und Abbruch der Übung», liess CVP-Präsident Gerhard Pfister verlauten. Er sehe dafür zurzeit weder einen Nutzen noch eine Mehrheit im Volk. «Jetzt ein Abkommen zu pushen, ohne dass man weiss, wie sich die EU in zwei Jahren präsentiert, halte ich für voreilig», sagte FDP-Präsidentin Petra Gössi.
Für Guldimann gefährdet die «Verzögerungstaktik» der Bürgerlichen die Bilateralen. «Damit dieses Abkommen vor dem Schweizer Volk eine Chance hat, darf es unsere Souveränität nicht verletzen.» Tatsächlich scheine EU seit kurzem vor allem in zwei Fragen konzessionsbereiter zu sein: Bei der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für spezifische Schweiz-EU-Fragen
und bei den Sanktionen im Falle einer Nicht-Einigung im Gemischten Ausschuss. «Auch die EU weiss, dass wir nicht bereit sind, unsere Souveränität aufzugeben und uns fremden Richtern zu unterwerfen und dass eine Vereinbarung bei uns innenpolitisch akzeptabel sein muss.»