«Wir müssen weg von der Opferrolle»

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Gleichstellungspolitik«Wir müssen weg von der Opferrolle»

Sind Frauenrechtlerinnen schuld am Gleichberechtigungsüberdruss? Die Präsidentin der FDP Frauen, Carmen Walker Späh, über den neuen Feminismus.

D. Pomper
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D. Pomper

Zwei Drittel der deutschen Männer finden, es sei genug gemacht worden für die Gleichberechtigung. In einer Umfrage von 20 Minuten mit über 8500 Teilnehmern teilten 81 Prozent diese Meinung. Sind auch die FDP-Frauen mit ihren Gleichstellungskampagnen für Frauenquoten und Lohngleichheit daran schuld, dass so viele Leute des Themas überdrüssig sind?

Nein, sicher nicht (lacht). Noch 1985, und das ist nun wirklich nicht lange her, stand im Zivilgesetzbuch, dass der Mann das Oberhaupt der Familie ist. In den letzten dreissig Jahren haben wir viel zur Gleichstellung von Mann und Frau beigetragen. Ich glaube, dass jene, die laut aufschreien, grösstenteils wertkonservativ denken und sich nach «guten alten Zeiten» sehnen. Die Frage der Gleichstellung ist ja immer ein extrem emotionales Thema.

Es gibt aber auch zunehmend liberale junge Frauen und Männer, die genug haben von der traditionellen Gleichstellungspolitik.

Für die FDP Frauen ist es zentral von der Opferrolle wegzukommen hin zu einer Geschlechterpolitik auf Augenhöhe, in der Mann und Frau ihr Zusammenleben gemeinsam gestalten. Ich kann verstehen, dass eine ganze Generation müde geworden ist und das Gejammer nicht mehr hören will.

Sie streben also eine neue Form der Gleichberechtigung an?

Es braucht einen modernen Feminismus. Wir begegnen den Männern auf Augenhöhe, weg von der Opferrolle hin zu einem konstruktiven Geschlechterdialog.

Ist die Forderung nach einer Frauenquote in Führungsetage, welche die FDP Frauen mittragen, nicht ein Opfereingeständnis, im Sinne, dass es die Frauen nicht alleine ins Management schaffen?

Im Gegenteil! Wir haben den Mut eine unpopuläre Forderung auszusprechen und regen damit eine Diskussion an. Unser Ziel ist, dass die Wirtschaft die beste Frau oder den besten Mann für den Job einstellt. Das ist heute mit gerade mal 5 % Frauen in der Chefetage definitiv nicht der Fall. Wir leben heute ja quasi eine Männerquote – das ist nicht gut für die Wirtschaft. Die FDP Frauen und auch gewisse Vertreter der FDP sind aus ökonomischen Gründen für eine Quote. Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass es so viele gut ausgebildete Frauen nicht in die Führungsetagen schaffen.

Sie wollen aus der Opferrolle herausfinden. Wie kann das gelingen?

Wir planen die Zukunft mit den Männern und nicht gegen sie. Die neue Form der Gleichstellungspolitik muss die Anliegen der Männer ebenso berücksichtigen, wie diejenige der Frauen.

Die FDP Frauen wollen sich für Männeranliegen stark machen?

Das machen wir bereits und werden wir auch in Zukunft tun. Gerade in den Themen gemeinsames Sorgerecht, Scheidung oder Unterhaltsrecht arbeiten wir eng mit den Männerorganisationen zusammen. Dabei nehmen wir eine selbstbewusste Position ein – weg von den Geschlechterrollen mit dem Mann als Ernährer und der Frau als Betreuerin – hin zu einer Gemeinschaft auf Augenhöhe. Wir machen uns für die Stellung von Buben in der Volksschule stark wie auch für ein faires Scheidungs-, Sorge- und Unterhaltsrecht. Es kann nicht sein, dass bei einer Scheidung nur der Mann blutet und die Frau profitiert. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema, das nicht nur Frauen betrifft. Viele junge Männer wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Das sind wichtige gesellschaftliche Themen, die wir beackern wollen.

Wollen sich die FDP Frauen auch für Gleichberechtigung einsetzen, wenn es zulasten der Frauen geht, etwa bei der Erhöhung des Rentenalters?

Wir waren stets für ein Frauenrentenalter 65. Es gibt keinen Grund, warum Frauen – die ja sogar eine längere Lebenserwartung haben als Männer – nicht bis 65 arbeiten sollen. Das unterschiedliche Rentenalter lässt sich nicht rechtfertigen.

Sollen Frauen auch Militärdienst leisten?

Wir stehen zur Armee und finden, dass auch Frauen ihren Beitrag zur Landesverteidigung leisten sollen. Wir diskutieren momentan noch darüber – Stichwort allgemeiner Zivildienst –, wie dieser Beitrag aussehen soll. Wir wollen Rahmenbedingen schaffen, damit alle die gleichen Chancen haben. Das ist echte Gleichstellung.

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