«Wir werden nie zur SVP zurückkehren»

Aktualisiert

Martin Landolt«Wir werden nie zur SVP zurückkehren»

Am Samstag kürt ihn die BDP zum neuen Präsidenten. Nationalrat Martin Landolt über sein UBS-Mandat, die Emanzipation von Widmer-Schlumpf und sein Verhältnis zur Ex-Partei.

Simon Hehli
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Simon Hehli
Der neue BDP-Präsident Martin Landolt will sich an seinen Taten messen lassen, statt als UBS-Lobbyist abgestempelt zu werden.

Der neue BDP-Präsident Martin Landolt will sich an seinen Taten messen lassen, statt als UBS-Lobbyist abgestempelt zu werden.

Ihr Arbeitgeber UBS will nur Parteien finanziell unterstützen, die sich «eindeutig zu Wettbewerb und Marktwirtschaft» bekennen. Halten Sie das für gerechtfertigt?

Martin Landolt: Das ist ein ehrliches und mutiges Konzept. Letztlich muss jede Firma selber entscheiden, ob und in welcher Form sie das Milizsystem unterstützen will. Die UBS hätte Mühe, ihren Aktionären zu erklären, warum sie Parteien fördern sollte, die permanent gegenteilige Positionen einnehmen und den Kapitalismus überwinden wollen.

Was tut denn die BDP, um sich das Geld von der UBS zu verdienen?

Wir setzen uns für einen schlanken Staat, eine sorgfältige Finanzwirtschaft und einen gesunden Wettbewerb ein. Gleichzeitig wehren wir uns aber auch nicht dagegen, dass der Staat regulierend eingreift – solange er es mit Augenmass tut.

Eine Partei kommt sehr schnell in den Ruch, vom Grosskapital gekauft zu sein – gerade wenn der neue Parteipräsident noch bei der UBS angestellt ist.

Kein Bundesparlamentarier nimmt vor Abstimmungen Weisungen entgegen – ich auch nicht. Das wäre dumm und kurzfristig gedacht. Ich habe die Sache mit meinem Arbeitgeber intensiv diskutiert, denn der angebliche Interessenskonflikt hätte ja schon als einfacher Nationalrat bestanden. Ich habe mir bestätigen lassen, dass ich hier im Bundeshaus meine Narrenfreiheit habe – und reden und abstimmen kann, wie ich will. Man kann das glauben oder auch nicht. Ich sage: Messt mich an meinen Taten!

Selbst die NZZ wirft Ihnen vor, dass Sie die Politik und Ihr Engagement bei einer Grossbank kaum sauber werden trennen können.

Als Parteipräsident werde ich ausschliesslich die Interessen meiner Partei vertreten. Ich stehe jedoch zu meinen beruflichen Wurzeln – und werde mich auch für den Finanzplatz einsetzen.

Aber ein Handicap ist Ihr Job schon, oder?

Es ist nicht zu vermeiden, dass mir von linker Seite immer wieder mein Mandat bei der UBS um die Ohren gehauen werden wird. Die Unterlegenen unterstellen den Vertretern der Mehrheit ja immer gerne, sie seien gekauft. Politik ist letztlich eine Interessensvertretung. Ich sehe nicht, was daran falsch sein soll. Ich setze mich übrigens auch kritisch mit der Bankenbranche auseinander.

Sie wurden 1999 wegen hochriskanter Geschäfte von der Glarner Kantonalbank fristlos entlassen. Da können Sie nicht gut den Mahner gegen die Überheblichkeit gewisser Banker spielen.

Das ist eine alte Geschichte und mehrere Gerichte haben bestätigt, dass die Kündigung wegen angeblicher Kompetenzüberschreitung ungerechtfertigt war. Ich bin immer noch überzeugt, dass ich damals keine Risiken eingegangen bin. So kann ich auch heute problemlos die Hochrisiko-Mentalität einiger Banken ankreiden. Die Branche muss sich wieder auf ihre Kernaufgabe besinnen: die Verwaltung von Vermögen und die Unterstützung der Wirtschaft mittels Krediten. Das ist zwar weniger spektakulär als der Eigenhandel – aber ein solides Geschäft, mit dem sich auch Geld verdienen lässt.

Kann die Schweiz so langfristig den Verlust des Bankgeheimnisses verkraften?

Nein, das Bankgeheimnis ist nach wie vor sehr wichtig. Dank des Konzepts der Abgeltungssteuer können wir es retten – aber wir müssen es zurückstutzen auf seine ursprüngliche Funktion zum Schutz der Privatsphäre. Es darf nicht Personen schützen, die systematisch erhebliche Vermögenswerte hinterzogen haben. Das gilt auch im Inland: Bei Verdacht auf schwere Steuerhinterziehung sollen die Steuerämter an die Bankdaten herankommen.

Damit bestärken Sie die bisherige BDP-Linie. Gibt es auch Themenfelder, in denen sie andere Akzente setzen werden als Ihr Vorgänger Hans Grunder?

Inhaltlich nicht, denn da stimmen Grunder und ich mehrheitlich überein. Ich werde jedoch die Prioritäten in der Parteiarbeit anders setzen, weil jetzt eine neue Phase beginnt. Grunder hat vieles den Parlaments- und Bundesratswahlen 2011 unterordnen müssen. Dieser Druck ist vorerst weg. Wir müssen weniger am Programm feilen als an der Kommunikation. Wir bringen unsere Positionen zu wenig rüber.

Woran hapert es?

Wir haben bisher erfolglos dagegen gekämpft, als Widmer-Schlumpf-Fanklub und Ex-SVPler mit Stil abgestempelt zu werden. Die Medien und die Öffentlichkeit nehmen zu wenig wahr, dass wir uns auch inhaltlich von anderen bürgerlichen Parteien unterscheiden.

Wie denn?

Wir sind eine moderne Partei, die dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt, ohne sämtliche konservativen Grundwerte über Bord zu werfen.

Sie wollen die Quadratur des Kreises schaffen: Eine Partei kann nicht gleichzeitig konservativ und modern sein.

Doch, das funktioniert durchaus. Das zeigt der Erfolg bei den Wahlen 2011. Da haben wir bei den jungen Wählern überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Auch an der Basis in den Kantonen haben wir viele junge Mütter und Väter zwischen 30 und 45. Sie schätzen es, dass wir zwar in der Wirtschafts-, Aussen- und Sicherheitspolitik sowie bei strafrechtlichen Fragen konservativ, in ökologischen und gesellschaftspolitischen Fragen aber progressiv sind – eine berufstätige Mutter ist nicht des Teufels! Mit dieser offenen Haltung gehörten wir früher in der SVP zu den Aussenseitern.

Für einige Medien sind Sie als längjähriges SVP-Mitglied der perfekte Mann, um die BDP wieder mit der SVP zusammenzuführen. Werden Sie zum Totengräber Ihrer eigenen Partei?

Ach, das ist Blödsinn! Die BDP zeichnet sich zu einem wesentlichen Teil durch ihre Kooperations-Fähigkeit und -Bereitschaft aus. Je nach Thema arbeiten wir mit der Linken zusammen, mit den Mitteparteien oder mit FDP und SVP. Ich spüre bei der SVP durchaus eine Bereitschaft, Politikfelder, in denen wir uns einig sind, gemeinsam zu bewirtschaften. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist keine Vorstufe zu einer Wiedervereinigung. Ich und meine Partei werden nie mehr zur SVP zurückgehen.

Legen Sie die Hand ins Feuer, dass die BDP als eigenständige Partei in die Wahlen 2015 gehen wird?

Ja.

Dann müssen Sie dafür beten, dass Eveline Widmer-Schlumpf nochmals eine Amtszeit anhängen wird. Sonst verlieren Sie Ihr grosses Zugspferd.

Ich werde mich hüten, Widmer-Schlumpf Tipps zu geben, wie lange sie im Amt bleiben soll. Aber klar ist: Wir verdanken ihr einen wesentlichen Teil unseres Erfolgs. Und irgendwann müssen wir ohne sie funktionieren. Ich vertraue darauf, dass uns diese Emanzipation gelingt – gerade dank der vielen Jungen. Unsere Positionierung leicht rechts der Mitte hilft uns dabei. Denn offensichtlich honorieren die Wähler die unspektakuläre Sachpolitik wieder.

Gemäss Smartvote sind Sie genau in der Mitte des politischen Spektrums positioniert, einige Ihrer Parteikollegen sogar deutlich links der Mitte. Ist es da nicht unglaubwürdig, sich als Mitte-rechts-Partei verkaufen zu wollen?

Wir sind in diesem Rating ziemlich genau in der Mitte anzutreffen. Wir fühlen uns aber mehrheitlich als Mitte-rechts-Politiker. Eine Affinität zu ökologischen Fragestellungen gilt leider immer noch als links. Dieser Fukushima-Effekt zieht uns im Rating weiter nach links, als wir es eigentlich sind.

Vor den Bundesratswahlen hat die BDP eine intensivere Zusammenarbeit mit der CVP in Aussicht gestellt. Ist diese jetzt vom Tisch, da die Wiederwahl von Widmer-Schlumpf geklappt hat?

Nein, wir haben eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern beider Parteien eingesetzt, die seit Anfang Februar sehr intensiv arbeitet. Da bin ich auch dabei. Im Frühsommer werden wir kommunizieren, worauf wir uns geeinigt haben.

Eine Fusion ist aber ausgeschlossen?

Solange die Mitte trotz der angeblichen Zersplitterung wachsen kann, gibt es keinen Grund, an der Parteienlandschaft etwas zu ändern. Auf dem Reissbrett mag es zwar reizvoll sein, das Wählerpotential der BDP in den eher protestantisch geprägten Gebieten mit jenem der in katholischen Gegenden zu vereinen. Aber in den Kantonen gibt es so viele Unterschiede, dass eine Fusion derzeit keinen Sinn macht.

Brachliegendes Potenzial gäbe es in der Romandie. Wie wollen Sie da wachsen?

Es gibt auch sonst Kantone, in denen wir noch zu wenig präsent sind. Wir hatten als Partei ein verkehrtes Wachstum: von oben nach unten, angefangen mit einer Bundesrätin, gefolgt von kantonalen Parteien. Es ist eine grosse Herausforderung, das Fundament jetzt in den Gemeinden zu verbreitern. Das ist eine Knochenarbeit. Wir haben das Handicap, dass wir in vielen Gegenden keine aktiven Mandatsträger als personelle Leuchttürme haben. Wir müssen in strategisch wichtigen Kantonen wie Tessin, Genf oder Waadt etwas aufbauen, indem wir die junge Generation ansprechen und möglichst vielen fähigen Leuten eine Plattform geben.

Welchen Wähleranteil streben Sie für die Wahlen 2015 an?

Die Marke von 10 Prozent müssen wir im Hinterkopf haben. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Aber ich setze mir die Latte lieber hoch – und erreiche dann vielleicht nur 90 Prozent des gesteckten Ziels.

9 Prozent wäre immer noch eine massive Steigerung von heute 5,4.

Bei Umfragen sind wir schon bei 7 Prozent. Da bewegt sich was!

Zur Person

An diesem Samstag wählt die BDP Martin Landolt (43) zu ihrem neuen Präsidenten und Nachfolger von Gründerpräsident Hans Grunder. Landolt politisierte bis 2008 in der SVP, wechselte dann zur neu gegründeten BDP. Seit März 2009 hält er den Glarner Nationalratssitz, seit November 2010 arbeitet er als politischer Berater bei der UBS. Landolt lebt von seiner Frau getrennt, die beiden haben drei Töchter im Schulalter. Der künftige BDP-Chef spielte früher Spitzenvolleyball in Näfels. hhs

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