Österreicher bewundern Schweizer Asylpolitik

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Die Schweiz als leuchtendes Vorbild: Weil die Zahl der Asylgesuche in Österreich stärker steigt als hierzulande, schauen Politiker und Medien neidisch nach Bern.

von
daw
In Österreich ist die Zahl der Asylgesuche wie in Deutschland und Ungarn stark angestiegen. Im Bild: Zelte am Gelände der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen am 18. August.
Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Verhältnisse in Traiskirchen als unwürdig.
Im ORF-Sommergespräch wirft FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Frage auf, wieso die Schweiz weniger Probleme habe.
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In Österreich ist die Zahl der Asylgesuche wie in Deutschland und Ungarn stark angestiegen. Im Bild: Zelte am Gelände der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen am 18. August.

APA / Roland Schlager

Die Flüchtlingskrise ist in Österreich derzeit ein fast noch grösseres Thema als in der Schweiz: In unserem Nachbarland hat sich die Zahl der Asylgesuche im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zur Vorjahresperiode mehr als verdreifacht – auf 28'311. Demgegenüber fällt die Zunahme in der Schweiz moderat aus: Bis Juni wurden 11'873 Asylgesuche gestellt (+15 Prozent). Gleichzeitig sinkt der Anteil der Schweiz an allen in Europa gestellten Asylgesuchen seit 2012.

Quelle: SEM

Die ungleiche Entwicklung bleibt in Österreich nicht unbemerkt: Politiker und Medien ziehen eifrig Vergleiche zum Nachbarn – und loben die Asylpolitik von Justizministerin Simonetta Sommaruga in den höchsten Tönen.

«Die Schweiz kennt die aktuellen Probleme Österreichs nicht»

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte am Montag in einem ORF-Interview, die Asylpolitik in der Schweiz funktioniere besser als in Österreich. «Die Schweiz kennt das Problem, das Österreich hat, aktuell nicht.» Es brauche mehr Grenzkontrollen. Die auflagenstarke «Kronen-Zeitung» legte am Mittwoch nach und untermauerte die Aussage Straches mit Zahlen. Zudem führte sie Argumente an, warum die Schweiz besser dastehe: die prioritäre Behandlungsstrategie, die schnellen Verfahren oder die unentgeltliche Rechtsberatung, die langwierige Rekurse unwahrscheinlicher mache.

Schliesslich wird eine Sprecherin von Sommarugas Staatssekretariats für Migration (SEM) mit den Worten zitiert, das sich die Vorgehensweise der Schweiz bei Schleppern herumgesprochen habe. «Deshalb wird auf andere Länder ausgewichen.»

«Der Vergleich ist absurd»

Für SVP-Nationalrat Hans Fehr ist das Lob aus Österreich vor dem Hintergrund der angespannten Unterbringungssituation absurd: «Österreich nimmt ein Chaos als leuchtendes Vorbild. Viele Gemeinden sind am Anschlag, die Kantone müssen Zelte aufstellen. Hätte sich der FPÖ-Chef genauer informiert, würde er Sommarugas System kaum bewundern.»

Laut Fehr darf man nicht nur die Zahlen der Gesuche zum Gradmesser nehmen. «Man muss auch anschauen, wie viele Menschen effektiv hierbleiben.» Als Beispiel nennt er die tausenden Gesuche von Eritreern, denen die Schweiz allesamt stattgebe. Österreich habe fast keine Eritreer. «Die Vergleiche sind unzulässig.»

Interesse an Schweizer Modell

Beim SEM will man die Lobeshymne aus Österreich nicht bewerten. Sprecherin Léa Wertheimer sagt aber: «Wir stellen fest, dass das Interesse an unserem System im Ausland gestiegen ist.» Dass Länder versuchten, voneinander zu lernen, sei normal. So habe die Schweiz bei den Bundeszentren das niederländische Modell studiert.

Gemäss Wertheimer werden schwach begründete Gesuche prioritär behandelt und möglichst schnell erledigt. 48-Stunden- und Fast-Track-Verfahren hätten dazu geführt, dass in der Schweiz weniger unbegründete Gesuche gestellt werden – etwa von Personen aus den Balkan-Staaten. «So bleiben die Strukturen frei für die Menschen, die tatsächlich den Schutz der Schweiz brauchen.»

Klar ist, dass die geografische Lage eine Rolle spielt. Zum Beispiel gelangen Syrer über die Ost-Mittelmeer-Route via die Türkei und Griechenland eher nach Österreich oder Deutschland als in die Schweiz. Zudem haben Ägypten, Tunesien und Algerien für Syrer eine Visumspflicht eingeführt. Laut dem SEM ist die Benutzung der Mittelmeer-Route via Libyen nach Italien damit schwieriger geworden.

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